: Blau-weiß gestreift
Hamburgs Gefangene müssen Sträflingskleidung tragen, zumindest, wenn sie krank sind ■ Von Elke Spanner
„Vorsicht! Patienten-Eigentum.“Die Warnung prangt auf weißen Plastiksäcken. In diesen Beuteln verschwinden die eigenen T-Shirts, Jogginghosen und Pullis, sobald ein Patient das Zentrale Krankenhaus der Hamburger Gefängnisse betritt. Denn wer hier eingeliefert wird, ist nicht einfach ein kranker Mensch, sondern zudem Untersuchungshaft- oder Strafgefangener, und seine Kleidung gilt als Gefahr für die Hygiene des Krankenhauses. Damit jedenfalls begründet der Hamburger Senat in der Antwort auf eine kleine GAL-Anfrage, wieso Häftlinge im Gefängniskrankenhaus einheitliche Sträflingskleidung tragen müssen.
Klassisch blau-weiß gestreift das Design, wecken die Anzüge nicht nur Assoziationen. Sie könnten sogar aus der Zeit stammen, aus der auch die Erinnerungen an einheitsgestreifte Häftlinge herrühren. „Die Anzüge sind sehr alt“, bestätigt denn auch Justizsprecherin Annette Pflaum. Der dicke Baumwollstoff ist so gestärkt, daß es einiger Kniebeugen bedarf, um die Hose begehbar zu machen. Laut Senat muß das so sein, denn die Kleidung im Krankenhaus werde mit Hochdampf gereinigt. Und das hielte dünnerer Stoff nicht aus, Privatkleidung schon gar nicht. Auch Jogginganzüge, welche die Anstalt sich zwischenzeitlich auf Wunsch der Gefangenen zugelegt habe, hätten vor dem heißen Dampf resigniert. So blieb alles beim alten: Gestreifte Sträflingskleidung für Hamburgs kranke Gefangene.
Und die können noch froh sein, ihre Tracht nur im Krankheitsfalle anlegen zu müssen. Im Strafvollzugsgesetz ist Anstaltskleidung nämlich noch regulär vorgesehen. GefängnisleiterInnen können private Kleidung zulassen, müssen es aber nicht. In Hamburg rangen sich die KnastleiterInnen erst Ende der achtziger Jahre dazu durch, den Gefangenen diese Form der Individualität zuzubilligen.
Daß die taz die Sträflingskleidung überhaupt abbilden kann, ist dem unermüdlichen Einsatz der Justizbehörde zu verdanken. Das Fotografieren auf dem Krankenhausgelände ist nämlich strengstens untersagt. Ausnahmen werden keinesfalls gebilligt, und sei auch nur die Wäschekammer das Objekt der Fotobegierde. Der ursprüngliche Plan des Anstaltsleiters Robert Mündelein, die Wäschekammer höchstselbst mit der privaten Polaroid-Sofortbildkamera zu fotografieren und das Bild der taz zukommen zu lassen, scheiterte aus Gründen, die sein Geheimnis bleiben. Schließlich ließ sich Justizsprecherin Pflaum Sträflingskleidung in ihre Behörde liefern, wo diese frei von Sicherheitsbedenken gestern abgelichtet werden durfte.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen