: Willkommene Glibbertiere
■ Süßwasserquallen in der Elbe / Bessere Wasserqualität
„Wetten, daß es in der Elbe Quallen gibt?“, forderte ein kleiner Junge aus Finkenwerder seinen Vater heraus. „Quatsch“, entgegnete der und setzte kühn zehn Mark dagegen. Denn die Flußbrühe hielt er für so dreckig, daß dort nur wirklich abgehärtete Tiere eine Überlebenschance haben. „Dann komm mal mit“, drängte der Sohn den Vater runter zum Dradenauhafen, wo die beiden seine Entdeckung bestaunten: Drei possierliche, durchsichtige Glibbertiere, nur zwei Zentimeter im Durchmesser groß, vergnügten sich dort in den Fluten. „Ganz eindeutig Süßwasserquallen“, lautete der Befund der Biologen in der Wassergütestelle Elbe.
Dort ist man ganz aus dem Häuschen: Zuletzt wurden Süßwasser-Medusen, von denen ohnehin nur eine einzige Art bekannt ist, 1961 in der Elbe bei Geesthacht gesichtet. Danach überschritt der Verschmutzungsgrad des Flusses wohl selbst die Toleranzschwelle der amorphen Weichtiere. „Messungen haben ergeben, daß die Wasserqualität inzwischen sehr viel besser ist“, sagt Michael Bergemann, Ingenieur bei der Wassergütestelle.
Den Quallen dürfte es weniger gefallen haben, aufgespürt worden zu sein: Zwei von ihnen wurden flugs zu Forschungszwecken mit Formaldehyd fixiert. „Die mußten leider dran glauben“, bedauert Bergemann und beeilt sich zu versichern, daß „ihnen sowieso kein langes Leben vergönnt gewesen wäre“: Quallen segnen das Zeitliche gewöhnlich bereits nach wenigen Wochen. Die dritte im Bunde wurde nicht geschlachtet: Sie wird zur Beobachtung in einem Aquarium aufbewahrt. Die Nachwuchsfrage ist trotz Isolation gesichert: Quallen setzen sich sowohl geschlechtlich als auch ungeschlechtlich durch Abspaltungen des Polypenstocks fort.
„Weil das Elbwasser weniger stark belastet ist, gibt es inzwischen auch wieder Dreikantmuscheln, die noch in den 80er Jahren eine Rarität waren“, sagt Michael Bergemann. Einziges Problem: Wenn Raffinerien und andere Betriebe Kühlwasser aus der Elbe entnehmen, gelangen die Muschellarven mit in die Rohre und verstopfen sie. „Dann müssen die Leitungen eben öfter gereinigt werden“, geht Ingenieur Bergemann das Problem pragmatisch an. Umweltbehörden-Sprecher Kai Fabig sieht dagegen durchaus ein ernstzunehmendes Problem darin: „Die Störanfälligkeit der Anlagen steigt.“ Alles in allem sei man aber „sehr froh“ über die neuerliche Artenvielfalt. hh
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen