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Alles schön in der Kulturwüste

■ Das Harburger Theater wird ab Oktober aus Lüneburg bespielt / Risiko der Annahme wird durch moderaten Spielplan gedämpft

Bei Kultursenatorin Christina Weiss war gestern alles schön. „Schön“ der Anlaß, sich im Harburger Theater im Helms-Museum zusammenzufinden: Dort soll es nach einjähriger Pause ab Oktober wieder Theater geben. „Schön“ auch der Weg, auf dem das Lüneburger Ensemble dafür gewonnen wurde: „Harburg sollte nicht leiden“, so die Kultursenatorin, „deshalb haben sich alle Parteien in einer konzertierten Aktion für eine Bespielung eingesetzt.“ „Schön“ schließlich das Programm der Lüneburger, von dessen überdies „pfiffiger Gestaltung“ sie sich beeindruckt zeigte.

Weniger pfiffig, sei hier angemerkt, sehen das Lüneburger Werbeplakat und die entsprechende Broschüre aus, auf dem ein aquarelliert-befrackter Herr einer Dame nicht nur den Arm um den Hals, sondern auch seine Hand in die Corsage steckt. Sechs Stücke wird die Lüneburger Truppe in der Spielzeit 95/96 in Harburg aufführen, 36 Vorstellungen wird es geben. Mehr, gab der Intendant Jan Aust zu, sei angesichts der Unsicherheit über die Akzeptanz, die man beim Harburger Publikum finden werde, nicht zu wagen. Die Harburgerinnen und Harburger wurden übereinstimmend zum Risikofaktor erklärt – werden sie kommen? Werden sie bleiben? Haben sie die Kulturlücke, die entstanden war, nachdem dem Altonaer und Harburger Theater die Subventionen gestrichen worden waren, überhaupt bemerkt?

In der kommenden Saison nun sollen sie mit einem populär-klassischen Mix verwöhnt werden: Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais ist jenseits von Mozart eine Komödie aus dem 18. Jahrhundert; Eines langen Tages Reise in die Nacht von Eugene O'Neill eine Tragödie über in Süchten ertränkte Verzweiflung einer US-amerikanischen Familie. Zu Weihnachten gibt es Woody Allens Spiel's nochmal Sam, dessen Bühnenfassung tatsächlich länger existiert als der Film.

Ephraim Kishons Es war die Lerche spinnt Julias und Romeos Geschichte in bewährt bürgerlich-frauenfeindlicher Satire-Tradition als Lied vom Pantoffelhelden und der Xanthippe fort. Ab heute heißt du Sara von den Berliner Grips-Theater-Initiatoren Volker Ludwig und Detlef Michel zeichnet Inge Deutschkrons Bericht aus den Jahren 1933 bis 45 nach. Um dem Programm noch einen Lehrplan-kompatiblen Abschluß zu geben, wird im März 96 Heinrich von Kleists Der zerbrochene Krug gespielt.

Ganze 153.000 Mark ist dem Hamburger Senat das Harburger Theaterleben noch wert. Was dem Publikum an Geld abverlangt wird, ist maßvoll: Ein Abo ist schon für unter 100 Mark zu haben. 1 000 Abos will man loswerden, 400 sind schon verkauft.

uwi

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