Lokales Coming-Out

■ Planten un Blomen: Die Hamburger Jazz-Szene ist in Form

Wie viel ist der Stadt die hiesige freie Jazz-Szene wert? Die Frage hat uns lange beschäftigt, jetzt wissen wir es aber genau: 30.000 Mark. Mit dieser Summe finanzierte die Kulturbehörde das Jazz in Hamburg-Festival, das am Wochenende ohne Eintritt (!) in Planten un Blomen stattfand. Aus diesem bescheidenen Etat wurden die Gagen für über fünfzig Musiker, die organisatorischen sowie die Reisekosten der nicht in Hamburg lebenden Musiker finanziert.

Wie etwa die des Bläser-Ensembles Kölner Saxophon Mafia. Die fünf Saxophonisten, die seit Jahren ihre „schräge“ Klangmotive durch die Republik blasen, waren einer von diversen Höhepunkten eines rundum erfolgreichen Festivals, ebenso wie der Sopransaxophonist Steve Lacy, die aus Los Angeles stammende, bei Cats beschäftigte Sängerin Cynthia Utterbach oder Jack Walrath, der Be-Bop Trompeter, der einst an der Seite von Charles Mingus musizierte. Nicht nur er, sondern die Mehrheit der zwölf Formationen, die in zwei Tagen eine undefinierbare Menge aus Zufallsgästen und Jazz-Enthusiasten begeisterten, leben und musizieren in Hamburg. Die Jazz-Szene, die sich vor zehn Jahren aus dem Kreis der Musikhochschule entwickelt hatte und hartnäckig versuchte, hier ihre Musik zu etablieren, schien irgendwie angekommen zu sein.

Denn es fehlt der Hamburger Jazz-In-Group, deren Stil-Palette von Hip-Hop-Groove bis Big-Band-Improvisationen reichen, weder an Können noch an Selbstbewußtsein. Wie etwa dem Quartett String Thing. Die zwischen E- und U-Musik angesiedelten Kompositionen der Streicher können gelassen mit denen des Kronos Quartetts verglichen werden.

Eröffnet wurde das Festival am Samstag von der Sängerin Carolanne Wright mit Pop- und Jazzstandards. Als ihr Sideman trat ein der innovativsten Hamburger jungen Saxophonisten auf: Jonas Schoen. Dessen Kompositionen machten beispielsweise einen Teil des Programms des Hamburg Jazz Orchestra. Diese 13köpfige Big-Band unter der Leitung des Pianisten Dirk Bleese untermauerte hier zum wiederholten Mal mit akrobatischer Präzision ihren guten Ruf.

Verantwortlich für dieses Coming-Out der Hamburger Jazz-Szene sind nicht zuletzt die Organisatoren des Festivals, eine Interessensgemeinschaft diverser Jazz-Initiativen und -Clubs.

Bleibt zu hoffen, daß das erste größere Hamburger Jazz Festival etabliert wird; denn nicht die teueren Head-Acts fehlen der Weltstadt Hamburg, sondern die Weichen für den Nachwuchs. Und daß dieser Nachwuchs Lust an der Sache hat, konnte am Wochenende nicht verborgen bleiben.

Niko Theodorakopulus