: „Unglaublich freundlich, aber sehr, sehr restriktiv“
■ Der Vizepräsident der europäischen Algerien-Delegation, Hannes Swoboda (SPÖ), über seine Reise
taz: Was hat Sie in Algerien positiv überrascht?
Hannes Swoboda: Die Offenheit, mit der über alles gesprochen wurde. Es wurde nie abgeblockt, auch wenn wir noch so unbequeme Themen ansprachen. Außerdem verblüffte mich die Meinungsvielfalt, die bei wichtigen Fragen wie Religion, Menschenrechte oder der Ausgabe von Waffen an Zivilisten selbst innerhalb des Regierungsbündnisses herrscht. Der Pluralismus in Algerien ist größer, als ich vor der Reise geglaubt habe.
Und Ihr negativster Eindruck?
Der nach wie vor fast sowjetische Umgang mit den angereisten Journalisten und mit uns selbst als Delegation – unglaublich freundlich, aber sehr, sehr restriktiv. Jeder Umweg oder Abweg stößt auf große Schwierigkeiten.
Was hätten Sie gerne noch alles gemacht?
Wir konnten nicht in einen Ort außerhalb Algiers reisen. Und wir wollten ursprünglich auch mit Vertretern der verbotenen Islamischen Heilsfront (FIS) reden. Das war nicht möglich. Allerdings sehe ich heute auch Argumente dagegen. Wir hatten einen dringenden Appell, vor allem von Frauenorganisationen, keine Signale auszusenden, die als Akzeptanz oder Verständnis für den Fundamentalismus gedeutet werden könnten. Die Algerier sind hungrig danach, ein anderes, offeneres Verhältnis zwischen Islam und Staat herzustellen. Dabei stört selbst eine moderatere, nicht gewalttätige FIS.
Wie erklären Sie die aggressive Berichterstattung in der algerischen Presse über Ihre Mission?
Nach einer lange ablehnenden Haltung der algerischen Regierung gegenüber dem, was sie Einflußnahme aus dem Ausland nennen, und nach einem schlecht vorbereiteten Besuch einer Delegation der EU-Führungstroika vor wenigen Wochen war die Reaktion nicht weiter verwunderlich. Hinzu kommt, daß wir durch unterschiedliche Aussagen selbst dazu beigetragen haben. Ich glaube, daß sich das langsam korrigiert und auch weiterhin korrigieren läßt.
Die Delegation hat der algerischen Staatsführung viel Vertrauensvorschuß gegeben. Was, wenn der nicht belohnt wird?
Dann wird man sehr ernsthaft mit Algerien reden. Und dann wird es keinen Ausbau der Kooperation geben. Wir können kein Assoziierungsabkommen mit einem Land schließen, das Versprechungen nicht einhält. Interview: Reiner Wandler
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