piwik no script img

Rechtsfreier Raum

Mit der Ausbreitung des Drogenhandels und dem Schreckgespenst der Organisierten Kriminalität im Hintergrund haben verdeckte Operationen und der Einsatz von Informanten Hochkonjunktur. Die „Waffengleichheit mit dem Verbrechen“ wird als Argument herangezogen. Während gesetzliche Richtlinien zum Einsatz von verdeckten Ermittlern, also mit falscher Identität ausgerüsteten Angestellten von Polizei, BND und Verfassungsschutz, im Ansatz vorhanden sind, agieren Vertrauenspersonen nahezu im rechtsfreien Raum.

„Eine Vertrauensperson (VP) ist eine Person, die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen, und deren Identität grundsätzlich geheimgehalten wird.“ Nach den aktuellen Richtlinien für Straf- und Bußgeldverfahren dürfen VPs nur zum Einsatz kommen, wenn die Aufklärung „sonst aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre“. Über die Zusicherung von Vertraulichkeit und Geheimhaltung entscheiden die Behördenleiter der Staatsanwaltschaften oder eine „möglichst hohe Ebene“ bei der Polizei. Vor dem gezielten Einsatz einer VP in einem Ermittlungsverfahren braucht es die Einwilligung oder zumindest die unverzügliche Unterrichtung der Anklagebehörde. Macht sich der V-Mann bei seiner Tätigkeit strafbar, sind Staatsanwaltschaft und Polizei nicht länger an die zugesicherte Vertraulichkeit gebunden.

In seiner „erläuternden Darstellung“ zum Bundestagsuntersuchungsausschuß „Plutonium“ 1996 konkretisiert das Bundeskriminalamt, daß V-Personen „grundsätzlich dem kriminellen Milieu nahestehen“. Damit ließen sich „letztlich ihre guten Zugangsmöglichkeiten“ zur Szene erklären.

Soweit die Theorie. In zunehmendem Maße werden V-Männer jedoch in den unterschiedlichsten Bereichen zur Beschleunigung von Ermittlungsverfahren und zur Gewinnung gerichtsverwertbarer Beweise eingesetzt. Oft begehen sie selbst Straftaten und werden dabei zu Initialzündern für Verbrechen. Dann müssen sie um jeden Preis Erfolge bringen, um nicht selbst in Haft zu wandern. Ein Teufelskreislauf.

In einer Vielzahl von Fällen wurde Kriminalität mittels V-Personen erst geschaffen. Der Lockspitzel überredet dabei bislang unbescholtene Bürger zur Begehung einer Straftat, präsentiert diesen dann als Täter und kassiert das Honorar. Um auf ihre Kosten zu kommen, führen V-Männer oft Geschäfte durch, die sonst in einer derartigen Größenordnung nie vorkommen würden. Ihre Provisionen hängen in der Regel von der Größe des aufgedeckten Verbrechens ab.

Ist eine V-Person in einem Ermittlungsverfahren im Einsatz, schränkt dies automatisch die Verteidigungsmöglichkeiten des Betroffenen ein. Der Trend geht dann in Richtung Geheimprozeß. Zeugen werden gesperrt, Aussagegenehmigungen beschränkt, und Akten bleiben dem Gericht vorenthalten.

Um die Identität der VPs geheimzuhalten, treten meist nur ihre Führer als Zeugen vom Hörensagen vor Gericht auf. In den USA dürfen Aussagen von V-Personen dagegen nur verwendet werden, wenn sie auch vor Gericht offen auftreten. BSI

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen