: Schlicht und etwas rostig
Wo Passagiere zu Wiederholungstätern werden: Eine Reise mit einem Containerschiff ist etwas ganz Besonderes ■ Von Claude Jansen
„Irgendwo auf hoher See gleiten, kein Fleckchen Land in Sicht, keine Menschenseele weit und breit, dafür aber 30.000 Tonnen Fracht, die dich umgeben. Das sind Eindrücke, die man nie vergißt.“Wenn Peter schwärmt, wird die Seefahrerseele weich. Eine Reise mit einem Containerschiff ist etwas ganz Besonderes, doch wer eine solche Fahrt antritt, der verspürt meist mehr als nur romantische Abenteuerlust.
Es gibt viele Gründe, die die Entscheidung für ein solches Unternehmen beeinflussen. Klar ist, daß die Wegstrecke Bestandteil der Reise sein soll, denn wer drei Wochen unterwegs ist, um anschließend Ferien in Südamerika zu machen, muß wissen, was von diesen Tagen auf hoher See zu erwarten ist. Traumschiff wird hier gewiß nicht gespielt, etwa mit Swim-mingpool, Spielcasino und Fünf-Sterne-Restaurant. Das Leben auf einem Containerschiff sieht schlicht, eintönig und ein wenig rostig aus. Zusammen mit der etwa zehnköpfigen Mannschaft bewohnen die Gäste die sogenannte „Brücke“, damit ist der hochhaus-ähnliche Klotz gemeint, der sich meist am Ende des Schiffes befindet. Die Passagiere sind in der Regel in Zweier-Kabinen untergebracht, und gegessen wird mit dem Kapitän.
Zu festen Zeiten, versteht sich. Wer nicht pünklich am Tisch sitzt, muß darben. Es sei denn, der Chef der Kombüse drückt noch ein Auge zu, entweder, weil er ein gutes Herz hat, oder weil man ihm einen guten russischen Wodka unter die Nase hält. Eine Mahlzeit zu verpassen, ist jedoch eher ein Kunststück, denn es gibt ja nichts, was einen so recht ablenkt, außer: Ruhe, Ruhe, Ruhe und jeder Menge Freiheit für die Augen.
Und das ist natürlich einer der Hauptgründe für diese außergewöhnliche Seereise. „Ich habe mir meine Malsachen mitgenommen und endlich Zeit dafür gefunden“, berichtet Andrea, die nach Mexiko fuhr, um ein Jahr dort zu arbeiten. „Außerdem hast du ausreichend Ruhe, dich auf das entsprechende Land vorzubereiten. Das ist bei einer Flugreise nicht möglich.“Die 28jährige kommt noch heute, zwei Jahre später, ins Schwärmen und würde, wenn sie mehr Zeit hätte, sofort wieder aufs Frachtschiff. So wie Peter. „Für mich war die Seefahrt wichtiger als der zweiwöchige Aufenthalt in Kanada“, brummt der alte Seebär und holt seine Seekarte, auf der jede Menge kryptische Zeichen eingetragen sind. „Hier, genau an dieser Stelle, habe ich meine Flaschenpost ins Meer gelassen. Und dort, wo die Titanic untergegangen ist, sind wir in ein riesiges Unwetter gekommen. Das war ziemlich aufregend.“
So ein Unwetter ist meist im Preis inbegriffen. Doch das macht für viele ja auch einen gewissen Reiz aus. „Ich war ziemlich erstaunt, als wir direkt auf das Tief zusteuerten“, erzählt Peter. „Aber der Kapitän erklärte mir, daß es mittendrin ungefährlicher und berechenbarer sei.“Ein bißchen mulmig, sagt der 52jährige, sei ihm da schon geworden und dennoch: „Das war eine der wichtigsten Erfahrungen. Wann haben wir schon mal die Möglichkeit, Naturgewalten so zu unmittelbar erleben.“
Aber nicht nur egoistische Selbsterfahrungswünsche bestimmen die Motivation für eine derartige Reise. „Ich fahre aus ökologischen Gründen mit dem Schiff.“Eine klare Aussage, die umweltbewußte Globetrotter sicherlich gerne mit dem 32jährigen Matthias teilen werden. Allerdings: Billig ist solch ehrenwertes Verhalten nicht zu haben – ein Containerschiff-Törn kostet oft das Drei- bis Vierfache einer Flugreise. Andrea beispielsweise legte für ihre 21tägige Fahrt nach Mexiko knapp 3000 Mark auf den Tisch; in 83 Tagen um die Welt kostet zwischen 11.000 und 13.000 Mark.
Abschließend noch einige Tips: Vor Antritt der Reise sollte man sich erkundigen, aus welchem Land das Schiff kommt. Die Serviceleistungen sind unterschiedlich, ebenso die Ausstattung der Kabinen. Außerdem sollte man herausfinden, wieviele Mitreisende sich noch auf dem Schiff befinden. Es ist sinnvoll, die Person, mit der man eine Kabine teilt, vor der langen Reise einmal kennenzulernen; wer frühzeitig bucht, kann unter Umständen auch schon mal vorab das Schiff erkunden. Zu buchen ist das Ganze bei der Hamburg Süd Reiseagentur (Ost-West-Straße 59-61, Tel.: 040/37 05-0) und das möglichst lange vor dem gewünschten Abreisedatum. Schiff ahoi!
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