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Gras und Geschichte

■ „Four Corners“ von James Benning zeigt Amerika als weites, stilles Feld

Der Film steht still. Ruhig flackert über Minuten ein Lagerfeuer. Starr ist die Kamera auf ein von Claude Monet gemaltes Mohnfeld gerichtet. Erst nach einer ganzen Weile weht der Wind etwas Tumbleweed über die Felsen des Chaco Canyon. Alles wirkt schwer und authentisch: Wenn eine Stimme aus dem Off die Vertreibung der Navarro-Indianer erzählt, muß eine spröde Einstellung genügen, um das Elend zu begreifen. Daß James Bennings „Four Corners“ trotzdem nicht in einer kulturbeflissenen Dia-Show endet, liegt an geringfügigen Veränderungen im Bild. Plötzlich fährt doch noch ein Auto an der Baracke in Mesa, New Mexico, vorbei.

Vermutlich sehen sonst nur die Schlangen in der Wüste dem Wandel der Natur dermaßen unbewegt zu. Bei Bennings hat das ambientartige Meditieren über Büschen, Gräsern und Geschichte eher biographische Gründe. In den frühen siebziger Jahren war der 1942 geborene Filmemacher zunächst Land-art-Künstler, später unterrichtete er Mathematik; heute ist Benning mit Hartmut Bitomsky für die Video-Abteilung am Cal Arts Center im kalifornischen Pasadena zuständig. „Four Corners“ fügt nun alle drei Weltanschauungen zusammen. Sein Amerika ist ein diffuses Feld, auf dem sich Geschichte bloß am Grenzverlauf streng geometrisch abbilden läßt. Wie die Jahresringe bei einem gefällten Baum versucht Benning Einschnitte im Zivilisationsprozeß freizulegen. Ohne Helden, aber mit vielen Opfern ist die Besiedelung der USA fortgeschritten. Die formale Reinheit der Dokumentation dient aber auch als späte Rache an der Historie. Deshalb gibt es ein irrwitziges Rechensystem, nach dem Länge und Ablauf jeder Episode montiert sind – 62 tableauhafte Bilder in 80 Minuten.

Zuletzt bleibt „Four Corners“ ein Gedankenkonstrukt wie Malewitschs Quadrate. Es ist aber die Alltäglichkeit, die Benning vor lauter Reduktion vergißt. Daß er in dieser Gegend als Sohn deutscher Einwanderer aufgewachsen ist, bringt ihn den Dingen nicht näher. Noch einmal singen die Last Poets den Blues der Namenlosen, dann ist auch der letzte Pick-up rechts aus dem Bild verschwunden. Harald Fricke

Forum: heute, 14 Uhr, Delphi; 20.45 Uhr, Kino 7 im Zoo Palast; 17.2., 20 Uhr, Arsenal; 18.2., 12 Uhr, Akademie der Künste

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