Verliebt, verlobt und illegal

■ „Wang Hsiang – Homesick eyes“: GastarbeiterInnen in Taiwan

Über der Baustelle geht blutrot die Sonne unter. Sie geht auch wieder auf. Das tröstet ein bißchen. Nummer 5391 erzählt von seiner Verlobten. Um mit ihr zusammenbleiben zu können, ist er aus Thailand nach Taiwan gekommen und arbeitet nun als Gastarbeiter. Ein halbes Jahr ist er jetzt hier und hat sie seitdem zweimal gesehen. Einmal für fünf Minuten. Und Nummer 5391, der eigentlich Nisit heißt, muß nicht mal weinen, wenn er das erzählt. Er hat seine Verlobte verloren, und zurück in die Heimat kann er auch nicht, weil erst die Schulden beim Arbeitsvermittler abgearbeitet werden müssen.

Vier GastarbeiterInnen verfolgt Hsu Hiao-Ming in seinem Dokumentarfilm „Wang Hsiang – Homesick Eyes“. Vier von offiziell 300.000, die es in Taiwan seit der Öffnung für Fremdarbeiter im Jahr 1993 gibt. Andere Schätzungen, die die Illegalen aus der Volksrepublik China mitzählen, gehen von 500.000 aus. Die Männer bekommen eine Registriernummer.

5418 ist schon 49 Jahre alt. Zu Hause in Thailand warten eine Frau und drei Kinder darauf, daß er als reicher Mann zurückkehrt. Nun putzt er das Arbeiterwohnheim der Großbaustelle und verkauft den Kollegen Fleischbällchen, um seinen Lohn aufzubessern. Die Kräuter dafür pflanzt er in einem kleinen Garten, den er neben dem Wohnheim angelegt hat, direkt unter einem rostigen Öltank.

Die beiden Frauen kommen von den Philippinen. Beide arbeiteten als Hausangestellte. Jean (36) hat einen Job, der auszuhalten ist, aber zu Hause warten sechs Kinder und ein überforderter Mann. Sie ernährt die Familie und hat deswegen doch ein schlechtes Gewissen. Remy (26) hat das Haus ihres Arbeitgebers angesteckt. Nun erwartet sie im Gefängnis ihre Auslieferung in die Heimat wie eine Erlösung. Schmerzhaft langsam erzählen die vier von ihren Erfahrungen. Selten nur reden sie über Gefühle. Die Kamera sieht einfach nur zu. Irgendwann sagt Nisit einfach so dahin, als würde er niemanden ausdrücklich meinen: „Ist mir egal, wenn sie lügen. Bin ja nur ich.“ Thomas Winkler

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