: Hohe Erwartungen an Kofi Annan
■ Der UN-Generalsekretär macht eine Reise nach Bagdad von der Haltung der USA abhängig. Doch die geben sich kompromißlos
New York/Berlin (AP/taz) – Fährt er oder fährt er nicht? Im Mittelpunkt der Bemühungen um eine diplomatische Lösung der Irak-Krise stand auch gestern die Frage, ob UN-Generalsekretär Kofi Annan nach Bagdad reist. Frankreich, Rußland, China sowie die arabischen Staaten drängten ihn zu direkten Verhandlungen in der irakischen Hauptstadt. Sollte der UN-Generalsekretär am Mittwoch tatsächlich in Paris mit dem irakischen Außenminister Mohammed Said al-Sachaf zusammentreffen, dürfte die Entscheidung über eine Reise auch vom Ergebnis dieses Gesprächs abhängen.
Al-Sachaf will bereits heute in der französischen Hauptstadt mit Staatspräsident Jacques Chirac und Außenminister Hubert Vedrine zusammentreffen. Vedrine erklärte, solange Annan nicht nach Bagdad gereist sei, seien die diplomatischen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Irak müsse Annan jedoch eine vernünftige Chance einräumen, seine Reise mit Erfolg zu krönen.
Auch der russische Außenminister Jewgeni Primakow hält die diplomatischen Möglichkeiten zur Beilegung der Irak-Krise noch nicht für ausgeschöpft. Primakow bekräftigte, eine Reise Annans nach Bagdad wäre ein positiver Schritt. Der chinesische Staatspräsident Jiang Zemin rief gestern alle an der Irak-Krise Beteiligten zur Zurückhaltung auf. „China setzt sich dafür ein, die Differenzen friedlich zu lösen“, sagte er.
Der UN-Generalsekretär will eine Reise nach Bagdad davon abhängig machen, daß die USA Kompromißbereitschaft signalisieren und der Weltsicherheitsrat ihm Rückendeckung gibt. Gestern abend New Yorker Zeit wollte er mit den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates Beratungen über dieses Thema aufnehmen. Die Veto-Mächte Rußland, Frankreich und China lehnen einen Angriff ab, um die ungehinderte Inspektion von verdächtigen Anlagen seitens der UN-Kontrolleure durchzusetzen. Die USA und Großbritannien haben ihre Bereitschaft zu einem Militärschlag erklärt.
Für die USA sagte US-Verteidigungsminister William Cohen, sein Land würde keinen Kompromiß akzeptieren, der Irak eine Einschränkung der Rüstungskontrollen erlaube. Cohen und der Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Sandy Berger, hatten am Sonntag die militärische Entschlossenheit ihrer Regierung bekräftigt, sollte Irak nicht bedingungslos einlenken. „Ich habe noch keinen Vorschlag gesehen, der die grundlegende Forderung erfüllt – das ist der volle, ungehinderte Zugang“, sagte Cohen in einem Fernsehinterview. Die Frist bis zu einer Militäraktion sei keine Frage von Tagen, allerdings auch keine von Monaten, sagte Berger.
Ein möglicher Kompromiß könnte so aussehen, daß die acht irakischen Palastanlagen einen Sonderstatus erhalten und sich der Irak im Gegenzug bereit erklärt, uneingeschränkte Inspektionen aller anderen Gebiete durch die UN-Kontrolleure zu akzeptieren.
Seit Sonntag mißt ein dreiköpfiges UN-Team die acht weitläufigen Palastanlagen von Staatschef Saddam Hussein aus. Die nach einem Vorschlag Frankreichs entsandten Experten aus Schweden und Österreich sollen noch in dieser Woche zuverlässige Angaben über Größe und Lage der Gebäudekomplexe liefern, in denen biologische oder chemische Kampfstoffe vermutet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen