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„Vitamingehalt von Dosenobst“

■ Strahlen auf Lebensmittel reduzieren nicht nur deren Nährwert, sie sind auch noch teuer

In unseren Breiten für gänzlich überflüssig hält die Strahlenexpertin des Bundesverbandes der Verbraucherinitiativen in Bonn, Silvia Pleschka, die Lebensmittelbestrahlung. Über Länder mit hohen Temperaturen und extrem schlechten Hygienestandards wolle Sie kein Urteil abgeben, aber dem europäischen Verbraucher müsse man gespaltene Moleküle, Fettoxidate sowie sogenannte freie Radikale als Ergebnis der ionisierenden Gammastrahlung nicht zumuten. „Wasser zum Beispiel wird in kleinen Mengen in Wasserstoffperoxid umgewandelt, und zwar abhängig von der Bestrahlungsdosis. Mir ist nicht bekannt, daß Peroxid ein zulässiges Konservierungsmittel für Lebensmittel ist. Proteine verlieren an Gehalt und die Nährwertdichte sinkt“, so die Expertin. Ein Krebsrisiko sei nicht nachgewiesen, wie einige Forscher argumentierten, doch schließlich sei in den Bestrahlungsanlagen eine genaue Strahlendosierung nicht möglich, weil die „gewichtsbedingte Durchdringungsrate bei den Lebensmitteln unterschiedlich“ sei. Daher seien auch die Erkenntnisse, die gegen eine Krebsgefahr sprechen, nicht vollständig gesichert. Pleschka machte auch auf die Kosten des Verfahrens aufmerksam, bei dem die Lebensmittel an den Gamma- und Röntgenkanonen vorbei geführt werden. Auf 10 bis 20 Pfennig pro Kilogramm bestrahlter Ware bezifferte sie erste Schätzungen. Schließlich müßten die Produkte zur Bestrahlung gekühlt angeliefert werden und ebenso gekühlt bestrahlt werden. Offensichtlich werde der Aufwand für diese Konservierungsmethode unterschätzt.

Christiane Toussaint, Sprecherin der Bundesvereinigung für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde in Bonn, hofft dagegen auf die Zustimmung des Europäischen Parlaments zur Bestrahlungsrichtlinie. Natürlich müsse man berücksichtigen, daß bestrahltes Obst nur „etwa einen Vitamingehalt von Dosenobst“ habe. Doch könnten Unternehmen ja selbst entscheiden, ob sie bestrahlte Produkte anbieten. Priorität liege bei Gewürzen, für die es „keine bessere Behandlung als die Bestrahlung“ gebe. Aber auch bei Geflügel sieht die Sprecherin aufgrund der Salmonellengefahr Vorteile.

Abzusehen sei, daß ein generelles Bestrahlungsverbot in der EU keine Chance habe, weil Staaten wie die Niederlande bereits seit Jahren Lebensmittel bestrahlen. Denkbar sei, so Toussaint, daß Lebensmittel aufgrund der strahlenbedingten Entkeimung länger lagerfähig seien. Toxikologisch sieht sie keine Gefahren – wie sie ausdrücklich betonte –, solange die zulässige Strahlendosis eingehalten werde.

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