Das Portrait: Der es schließlich doch wurde
■ Horst Schättle
Das war ein Auftritt: Horst Schättle schritt durch den SFB-Sitzungssaal, grinste breit, aber würdig, als gelte es, eine Ehrenformation abzunehmen. Als dann der Mann, der eben vom Rundfunkrat zum Intendanten der zweitkleinsten ARD- Anstalt gewählt worden war, ein paar unvorbereitete Worte sagt, ist alle Feierlichkeit schon wieder verflogen. Schättle ist eben nicht gerade ein Charismatiker. Seine Stimme ist inzwischen noch knarziger als in den Pariser Jahren als ZDF-Korrespondent. Seine Gesichtsfarbe hat längst das Grau der SFB-Flure angenommen, seine Vorträge sind oft so langatmig, wie es sich für einen Hierarchen alter Schule gehört.
Doch wenn Horst Schättle auf jene Pariser Zeit in den 80ern zu sprechen kommt, dann regt sich etwas in seinem Gesicht. Er schwärmt dann von der Lebensart, der politischen Kultur in der Metropole, gerät zuweilen sogar ins Erzählen. Geblieben sind aus der Zeit wohl nur Vorlieben: die Gauloises (filterlos), der Wein, sowie Le Monde und Libération. Nichts scheint weiter voneinander entfernt als dieses Paris und die SFB-Intendanz.
Schättle war lange Jahre beim ZDF (von 1963 bis 89), und er ist stolz auf seine Vergangenheit: Er fertigte Dokumentationen, er moderierte, kommentierte und machte für den Mainzer Sender die Wahlberichterstattung. Es ist ein typischer Aufstieg, der des Diplomkaufmanns durch die Strukturen der Macht in den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Sein SPD-Parteibuch dürfte ihm dabei geholfen haben. Schättle wurde zwar nie durch extremen Parteijournalismus auffällig, zeichnete sich jedoch auch nicht durch große Ferne von den Apparaten aus. Nun wurde er von SPD und CDU gemeinsam aufs Schild gehoben – man kann sich kaum vorstellen, daß die Großkoalitionäre keine Erwartungen an den Genossen stellen werden.
Dabei haben sie ihn nicht besonders gut behandelt: Lange zwanzig Wochen mußte Schättle, der spätestens seit dem Rücktritt Günther von Lojewskis gerne Intendant werden wollte, mit ansehen, wie man ihm andere vorzog und ihn, der doch immer bereitstand, deutlich nicht wollte. „Ich hätte mir schon irgendwann die Frage stellen müssen“, sagt Schättle „ob ich bleiben kann. Mir ist schon ein Stein vom Herzen gefallen.“ – „Schättle“ heißt es in der ARD, „ist einer, den immer alle unterschätzen.“ Er wird nun zeigen können, ob es so ist. lm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen