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Allemanje duus poeng

■ Noch immer parodierfähig: Das Hamburger Trio „Bo Doerek“stürzt sich im Packhaus-Theater in die Höhen und Tiefen des „Grand Prix de la Chanson“

ieser Mann ist für einen Hit gut. Denn kein Geringer als Guildo Horn bewirbt sich um die Teilnahme am diesjährigen Schlager-Festival „Grand Prix de la Chanson“. Also ist es schon so weit gekommen, daß die Parodisten oder Camp-Interpreten die Kohlen für Germany aus dem Feuer holen wollen. Eine Satire auf das eigenartige Chanson-Spektakel scheint da kaum noch möglich. Völliger Quatsch, sagte sich das Hamburger Comedy-Trio „Bo Doerek“. Das Festival, an dem Generationen vor und nach Ilja Richter englisch und französisch lernten („rajomüni dies poeng e – paiba duus poeng“), ist parodierbar. Zum Beweis treten die drei mit ihrem Programm „Germany, 12 Points oder Ein Lied kann ein Brücke sein“jetzt im Bremer Packhaus-Theater auf.

Auch und gerade im Schlager ist nicht alles Gold, was glänzt. Anfangs rekelt Alexandra Doerk alias Renate divenhaft kokett und atemlos affektiert auf der Chaiselongue. Doch die Kulisse fällt schnell. Das Zimmer mit den goldenen Schallplatten entpuppt sich als Zelle einer geschlossenen Abteilung und Renate als Patientin einer Klinik für neurotische Showgrößen, in der sie zusammen mit ihrem Partner Roger (Hubertus Borck) in den seligen Schlagerzeiten schwelgt.

In seiner Alltagskluft grüner und roter Adidas-Trainingsanzüge gibt sich das Duo ganz unbescheiden. Allen Ernstes behaupten die beiden, Deutschland schon auf dem Grand Prix vertreten zu haben, als Vicky Leandros – jetzt Nachbarin in Zelle 304 – „noch Touristen über die Akropolis hetzte“.

Sie waren da, als Cindy sich noch nicht Bert ausgesucht hatte, „nur um besser auszusehen“. Bald vier Jahrzehnte Showgeschäft und ungezählte Intrigen, Partys oder Kollisionen mit Dieter-Thomas Heck konnten ihnen sichtbar kaum etwas anhaben. Kein Wunder, daß sie sich vornehmen, noch einmal beim Grand Prix anzutreten, um nach jahrelangem Entzug mal wieder das Urteil „Germany twelve Points“zu ernten.

Die hörbar Musical-erfahrenen SängerInnen Alexandra Doerk und Hubertus Borck, die sich durch den Musiker und Mitspieler Jakob Vinje am Klavier begleiten lassen, streifen durch ein fast endloses Repertoire der Grand-Prix-Archive. Meistens mit überraschend vollem Ernst, oft nur durch parodierende Gesten und selten durch Klamauk aufgemischt, interpretiert das überaus sangeskundige Duo Ohrwürmer zwischen „Abba“und „Brotherhood of Man“, zwischen „Ein bißchen Frieden“und dem mit List, Tücke und Kostümen dargebotenen „Dschingis Khan“.

Nicht immer sind die Abschnitte zwischen den Songs durchinszeniert, sind oft Abspielplatz für ein Feuerwerk schön-gehässiger Pointen. Dennoch enthält „Germany 12 Points“auch varietéhaft schauspielerische Höhepunkte, die es weit von üblicher Comedy und Songprogrammen schon gar unterscheiden. Und der Song namens „Hand in Hand durch ganz Europa“, mit dem Roger und Renate am Ende doch noch ein glückliches Comeback feiern, ist so ein Wunderwerk an Trash, daß Guildo Horn sich bei einem direkten Vergleich mächtig wird anstrengen müssen.

Christoph Köster

„Germany 12 Points“, bis zum 1. März täglich außer montags um 20 Uhr im Packhaus-Theater im Bremer Schnoorviertel

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