: Harte Arbeit in den USA, weiche Landung zu Hause
■ Skandal, Skandal? Bernd Seite war, ist und bleibt Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern
Berlin (taz) – Für Bernd Seite ist die Sache erledigt. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, sagt der Ministerpräsident. Und wie das bei Politikern oft so ist, wenn sie kritisiert werden: Am Ende müssen sie immer noch mal sagen, daß sie das alles nicht verdient haben, wo sie doch nichts anderes tun als arbeiten, arbeiten, arbeiten. „Ich habe in den USA für mein Land geworben“, spricht der Ministerpräsident, „neun Tage hart gearbeitet. Und ich werde weiterarbeiten.“ Rücktritt? Wieso Rücktritt?
Nun gibt es leider unterschiedliche Auffassungen darüber, wie hart Bernd Seite in den USA wirklich gearbeitet hat. Auf einer Werbeveranstaltung in der vergangenen Woche, die dazu gedacht war, amerikanische Investoren an die Ostsee zu locken, gab sich der CDU-Mann allzu locker: Es gebe einen „Bodensatz“ von rund zwanzig Prozent der Gesellschaft, der sich der Wende bis heute verweigere. Im anschließenden Gespräch mit Journalisten gab Seite dann noch einige Feinheiten über die Türkei zum besten. Die Türkei könne nie Mitglied in der EU werden. Erstens sei sie islamistisch, zweitens gebe es da jede Menge Probleme. Der Ministerpräsident im Originalton: „Wenn ich als Protestant in Istanbul eine Kirche bauen wollte, ich habe doch noch keinen dritten Stein auf die ersten zwei gesetzt, da hauen die mir das doch zusammen.“
Da hatte Seite den Salat. Aufregung in Schwerin, Empörung in der Türkei. „Peinlich und tölpelhaft“ sei dessen Auftritt gewesen, rief Harald Ringstorff, SPD-Fraktionschef und Partner in der Großen Koalition. „Primitives Denken“ bescheinigte der türkische Botschafter in Deutschland dem Ministerpräsidenten. Und die PDS, die einzige Oppositionspartei, forderte Seites Kopf.
Jetzt begann für Seite die eigentliche harte Arbeit: bedauern, abwiegeln, standhaft bleiben. Er gab zu, das Wort „Bodensatz“ gesagt zu haben. Er bedauere die Wortwahl. Aber er habe die hundert Gäste während seines Vortrages in Washington ausdrücklich gebeten, den Begriff „Bodensatz“ nicht allzu wörtlich zu nehmen. Hatte man sich so etwas nicht doch gedacht? Ansonsten, so Seite, seien die Berichte über seine Reise „einseitig“ und „tendenziös“ gewesen. Dem türkischen Botschafter hat der Ministerpräsident einen Brief geschrieben, um ihn einzuladen und „eventuelle Mißverständnisse“ auszuräumen.
Für SPD und PDS in Schwerin gab's keine Mißverständnisse auszuräumen, trotzdem war die Lage nicht klar: Sollten die Sozialdemokraten auf das Angebot der PDS eingehen und den von ihnen ungeliebten Ministerpräsidenten per Mißtrauensvotum abwählen? Ringstorff, den Erzfeind von Seite, zum neuen Landeschef küren lassen, wie von der PDS vorgeschlagen? Ein Ministerpräsident mit den Stimmen der PDS, dann Neuwahlen und, wie eigentlich gewünscht, sogar eine Koalition mit der PDS? Und das alles ein paar Monate vor der Bundestagswahl? Alles, nur das nicht! Im September sind ohnehin Landtagswahlen.
Die SPD entschied sich am Dienstag für ein gedämpftes Nachspiel: kein Mißtrauensvotum, statt dessen Sondersitzung des Landtags zu einem anderen Thema, auf der die USA-Reise mit verhandelt wird, und böse Blicke in Richtung CDU. Bernd Seite darf weiter hart arbeiten. Jens König
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen