: Schröder spricht vom modernen Deutschland
■ In seinem Wahlkampf bilanziert der Ministerpräsident 16 Jahre Kohl-Regierung
Hannover (taz) – Wir schaffen das moderne Deutschland“ – unter dem SPD-Motto von 1969 sollte nach Ansicht des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder auch der Bundestagswahlkampf seiner Partei stehen. Auf Einladung der IG Metall versuchte Schröder gestern in Hannover eine Bilanz von 16 Jahren Kohl-Regierung in Bonn.
Die fünf Millionen Arbeitslosen in der Bundesrepublik seien „Ergebnis einer phantasielosen Politik“, die auf den Versuch eines intelligenten Mix von angebotsorientierter und nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik gleich zu Beginn verzichtet habe. Unter Kohl sei auch die Balance zwischen Arbeitnehmerinteressen und legitimen Kapitalinteressen ins Rutschen geraten. Die Bundesregierung habe versucht, die Einkommen der in der Produktion Aktiven zu drücken, und habe durch die Kürzung der Lohnfortzahlung „Druck auf die Rechte der arbeitenden Menschen ausgeübt“.
Als „verhängnisvollsten Fehler der Bundesregierung“ bezeichnete Schröder die Aufkündigung der Gespräche über ein Bündnis für Arbeit durch die Bonner Koalition 1996. „Diese Gesellschaft braucht mehr, nicht weniger Konsens“, rief der Ministerpräsident. Unerwähnt ließ der SPD-Politiker, daß die Gespräche über ein Bündnis für Arbeit seinerzeit zuerst in Niedersachsen scheiterten, weil er damals auf Arbeitszeitverlängerung im Landesdienst beharrte.
Auch gestern versprach Schröder den IG-Metallern Niedersachsens nur, daß es so schlimm wie in Südostasien in der Bundesrepublik schon nicht kommen werde. Schröder stellte den südostasiatischen Gesellschaften das Modell Deutschland gegenüber. In Südostasien gäbe es keine Mittelschichten, und die Arbeitnehmer hätten weder demokratische Rechte noch das Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum. Demgegenüber sei das deutsche Modell nicht nur sozial gerechter, sondern auch ökonomisch effizienter, da der Erfolg von Unternehmen immer mehr von der Phantasie und Kreativität der Mitarbeiter abhänge.
Damit das Teilhabemodell auch weiterhin funktionieren könne, müsse es die Politik gestalten und anpassen. In der Bundesrepublik müsse deswegen die Innovatiosgeschwindigkeit erhöht werden, es müsse mehr in Forschung und Entwicklung investiert werden, und die Flächentarifverträge müßten weiter geöffnet werden. Gerhard Schröder warnte abermals vor einem Lagerwahlkampf vor der Bundestagswahl. Es dürften sich nicht „die verpennten Rot-Grünen auf der eine Seite und auf der anderen Seite die Modernen gegenüberstehen“, sagte er. Jürgen Voges
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