■ Mit Ungarns Wirtschaft auf du und du: Kredite abbezahlt
Budapest (taz) – In Ungarn ist Vorwahlkampfzeit. Mit dem Gedanken an den Wahltermin am 10. Mai überbieten Politiker der sozialistisch-liberalen Regierungskoalition derzeit einander in ihren Erfolgsmeldungen über die Gesundung der ungarischen Wirtschaft. Die vorläufig letzte frohe Botschaft teilte Regierungschef Gyula Horn mit: Ungarn wird die letzten 160 Millionen Dollar, die es dem Internationalen Währungsfonds (IWF) noch schuldet, in diesen Tagen zurückzahlen und dann bei der Finanzorganisation schuldenfrei sein – zum ersten Mal seit es 1982 IWF-Mitglied wurde.
Ungarn könne für andere osteuropäische Länder ein Modell sein, so der zuständige IWF- Repräsentant Mark Allen. Tatsächlich scheint Ungarn derzeit auf dem Weg einer wirtschaftlichen Gesundung zu sein. Nachdem die Sozialisten 1994 gemeinsam mit dem Liberalen die Regierung übernommen hatten, führten sie eine rigorose Sparpolitik durch, um den Staat vor dem Bankrott zu retten. Mit Erfolg. Zu Jahresbeginn teilte Finanzminister Peter Medgyessy mit, daß Ungarns Wirtschaft 1997 zum ersten Mal gewachsen sei, und zwar um vier Prozent. Das Haushaltsdefizit sei mit 4,6 Prozent des Bruttosozialproduktes um 0,3 Prozent geringer als erwartet. Die Bruttoauslandsschulden haben sich gegenüber 1995 von 33 Milliarden Dollar auf 22 Milliarden verringert. Zu verdanken sei dies der umfangreichen Privatisierung, so Notenbankchef György Suranyi. Aus diesen Einnahmen habe Ungarn die Schulden abbezahlt.
Der Preis, den viele Ungarn für die Sparpolitik zahlen, ist hoch. Statistisch steigen zwar die Löhne und laut einer Umfrage unter ungarischen Unternehmern, können etwa ein Siebtel der Firmen derzeit keine Arbeitskräfte finden. Doch das gilt eher für den reicheren Westteil des Landes oder die Hauptstadt Budapest. Die zwei Millionen Rentner und viele Menschen im unterentwickelten Ostteil des Landes verarmen zusehends.
Mit Blick auf diese Wählermasse hat Regierungschef Horn denn mehrfach vorgeschlagen, daß Rentner oder kinderreiche Familien in Zukunft alle öffentlichen Verkehrsmittel umsonst benutzen dürfen, einschließlich der Fluglinie Malev. Es wäre ein teures Wahlgeschenk, wie Wirtschaftsexperten mehrfach warnten. So etwa meint der Nationalbankpräsident Suranyi, daß zwar gute Jahre auf die ungarische Wirtschaft warten, aber nur wenn die Regierung nicht wieder in den Fehler der vergangenen 20 Jahre verfalle, einen höheren einheimischen Lebensstandard mit ausländischen Krediten zu finanzieren. Keno Verseck
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