: "Deutschland braucht mich"
■ Eine Amerikanerin in Berlin: Die Entertainerin Gayle Tufts über Körperkult, Max Goldt, deutsche Frauen, Stand-up Comedy, deutsche Männer und die Kulturhauptstadt Tuttlingen. Mit speziellen Lebenshilfetips für ta
Ihr sprachliches Markenzeichen ist Denglish, „halbes Deutsch, halbes English – and it's basically what most Americans speak for the first zehn Jahre that they wohn here in Deutschland“. Ihr Programm: Songs mit warmer Bluesstimme und verbales Entertainment über das, was Frauen diesseits und jenseits des großen Teichs verbindet: das rätselhafte Wesen Mann und die immerwährende Sehnsucht danach. Am 24. Februar hat ihr neues Programm „The Big Show“, gemeinsam mit ihrem Bühnenpartner und Komponisten Rainer Bielfeldt, in der Bar jeder Vernunft Premiere.
taz: Kultivierst du dein Denglish aus dem gleichen Grund, wie Rudi Carrell es nie lernen wird, akzentfrei deutsch zu sprechen?
Gayle Tufts: Jetzt kann ich es endlich einmal zugeben. Meine ganz career lehnt sich an die von Carrell an! Im nächsten Monat färbe ich meine Haare grau und verliere viel Gewicht. Well, es war nie so mein Ziel, perfekt Deutsch lernen zu müssen, aber natürlich kann man nicht ein ganzes Leben mit drei Sätzen durchkommen: „Spinnst du?“, „Es geht nicht“ und „Ich hätte gerne ein Glas Sekt“. Ich habe zuerst gedacht, ich bleibe nur zwei Jahre, habe viel Spaß hier – und tschüs. Und dann ich war geblieben: Sieben Jahre später bin ich immer noch da. Weil, alles dauert so verdammt lange, hier etwas zu machen. Andererseits, Denglish ist mein Markenzeichen, so ich muß nie soo perfect sein. Bei deutsch singenden US-Künstlern mit heftigem Akzent muß ich leider immer auch an Chris Howland, Billy Mo und Roger Whittaker denken. Oh my god! Entschuldige für mein ganzes Land und wie dumm wir sind!
Was hält dich denn in Berlin?
Ich habe hier ein Leben hier gefundet, eine wunderschöne Leben. Und es gibt noch eine andere, praktische Seite. Ich sage nur: Krankenversicherung! Das hat eine Künstlerin in New York nicht. Dort müßte ich mich jetzt noch mit einem Nebenjob als Kindergärtnerin herumschlagen. Aber ich habe genügend stinkende Windeln gewechselt in meine kleine Karriere. Und ich habe hier einen Hauptmietvertrag! Nach sieben Jahren – wie sagt man das auf deutsch? – I painted myself into a corner.
In eurem neuen Programm geht es um die „big show“. Auf der Bühne sieht man dann allerdings nur eine Miniaturausgabe von Paillettenvorhang, und eure Showtreppe hat nur zwei Stufen.
I would love it, ein Superstar zu werden. I feel like Diana: I wanna be the Queen of people's hearts hier in Deutschland. Warum kann ich nicht die deutsche Bette Midler sein? Und ich bin junger als ihr. Das ist schön, daß ich mal junger bin als jemand. Deutschland braucht mich irgendwie. Ich habe ein Vorteil als Ausländerin und Outsiderin. Ich kann sagen: „Hey, nimm dich nicht so ernst, Mädels!“ Oder daß ich davon erzählen kann, was ist los mit Heterofrauen und schwule Männer. Oder warum nicht jedes little deutsche Frau denken soll, daß she's a barbiegirl in a barbieworld.
Bist du manchmal ein bißchen gefrustet, daß du eben nicht deine „Big Show“ im Friedrichstadtpalast samt Chorus Line und deine eigene TV-Show hast?
O.K., ich bin jetzt 37, also eine richtige Thirty-Something. Mit 20 sagt man: Ich will noch soviel ausprobieren, erleben! Gut, ich habe viel ausprobiert, viel erlebt – and now? Habe ich wie andere Stars eine Yacht, zwei Ehepartner, drei Autos, viel Geld, Oscars, Grammys? No. But so what? Aber ich habe etwas, was diese Stars alle nicht haben: Ich bin in Brackenheim aufgetreten!
Du bist regelmäßig im „Quatsch Comedy Club“ auf Pro7 zu sehen. Was ist denn der Unterschied zwischen der Stand- up Comedy in den USA und hier?
Its better there! Entschuldige, Thomas Hermanns! Er wird mich killen dafür. Stand-up ist so nagelneu here und keine organische Form. Stand-up in America kommt von Vaudeville. Das ist eine lange Tradition. In den 80er Jahre fast jede Bar machte Stand-up. Du hattest ein Problem, einfach nur eine Margarita zu bekommen, ohne daß dir nebenbei jemand auf der Bühne sein Leben erzählte. In USA hast du von jeder Ecke eine Stimme: die dicke Frau, die lesbische Frau, der jüdische Mann, der schwarze Mann. Das ist nicht nur „Hahaha, ich bin funny“. In den USA gibt es einfach verschiedene levels, und alle haben ihre Sozialkommentar, der das spannend macht und trotzdem witzig. Das heißt, in New York sind Stand-up Comedians nicht wie hier alle als Putzfrauen verkleidet. Es gibt dort keine Comedyfrau mit Perücke auf dem Kopf und sagt: „Ich bin das Putzfrau!“ Ich verstehe nicht, warum in Deutschland eine Frau nicht glamouros und witzig zugleich sein kann! Ich glaube, wir Amerikaner können einfach wir selbst sein. If you look where Stand-up Comedy comes from, das hat viel zu tun mit jüdischer Humor und Ironie. Hat zu tun mit die Emigranten. Alle wollen ihre Geschichte erzählen, weil dann das Leben kann etwas mehr Sinn oder Un-Sinn machen. Das ist einfach ein outlet, ein Ventil.
Welches Problem haben wir Deutschen denn mit der Unterhaltung?
Niemand muß sich schämen, weil er Unterhaltung braucht. Get out of the closet about wanting Unterhaltung! Unterhaltung muß nicht dumm sein, auch die Stand- up Comedy nicht. Unsere Erwartung muß nicht gleich so hoch sein, aber dafür vielleicht ein bißchen breiter, you know: Musik, trashige Dinge, mit Glamour und Herz und Kopf. Mehr Abwechslung ist einfach mehr fun. Das Wort Unterhaltung ist hier vielen peinlich, das muß nicht sein.
Wie ist denn dein Bild von Deutschland inzwischen?
Früher war Berlin: Nightclubs, Champagner, Glamour, Intrigen, romance. Als ich nach Deutschland gekommen war, hatte ich mein idealistic Punkrocker-Mittzwanziger-Selbst, looking for Iggy Pop und David Bowie – auch ein Vorbild für mich in Berlin: We can be heros, just for one day. Die nächste Tag waren wir ohnehin viel zu müde, um die ganze Party noch einmal zu machen. The rest of the day we needed to relax. Jetzt habe ich ein größeres Bild von Deutschland, das aber mehr zu tun hat mit Tuttlingen, Erlangen, Luckenwalde... Die Kulturhauptstädte Deutschlands, wo wir spielen so oft. That is my Bild von Deutschland seit einiger Zeit: Irgendwelche kleine Pensionen, mit Dusche auf die Flur. The glamour never stops!
Männer sind dein ständiges Thema. Was ist denn der generelle Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Männern – außer daß deutsche seltener beschnitten sind?
Deutsche Männer sind laaangsaaamer. Für viele amerikanische Frauen das ist eine seelische Fangopackung. Deutsche Männer nehmen sich mehr Zeit für alles. Und der negative Unterschied? Deutsche Männer sind langsamer. Ich denke oft: Move it, Helmut, come on! Ich bin nicht der geduldigste Mensch der Welt. Manchmal ich möchte das alles etwas schneller, mehr spicy, einfach Spontaneität. Deutsche Männer sind immer so: „Können wir darüber sprechen, uns zu treffen, und dann darüber sprechen, ob wir uns treffen?“ – und vielleicht etwas Sex, irgendwann. Das dauert immer! Ich will nicht darüber sprechen, ich will es tun! Also, don't talk, let's go!
Deinen ersten Deutschunterricht hattest du ausgerechnet bei Max Goldt...
Ich habe Max ganz zu Anfang kennengelernt und bei seiner Single „Bau mir ein Haus aus den Knochen von Cary Grant“ im Background gesungen. Er hat mich dann gefragt, ob ich nicht auf Tournee mitkommen möchte. Ich konnte kaum ein Wort Deutsch und ich habe diese komischen Liedtexte geübt. Das allererste Song war „Schimmliges Brot ist selten ein Vergnügen“! Allein das Wort Vergnügen hat gedauert. Ich habe gefragt: „Max, was meint das?“ Er hat das übersetzt mit „Bread is good“.
In deinem Buch „Absolutely Unterwegs“ hechelst du einerseits männlichen Waschbrettbäuchen hinterher, andererseits beschwerst du dich über den Fitnesswahn. Das widerspricht sich doch!
Ja, weil ich bin menschlich! (lacht). Ich bin auf Diät, seit ich sechs Jahre alt war. Ich war dünner, ich war dicker, aber ich hatte immer zehn Kilo zuviel. Ich glaube, ich habe in meinem Leben dreitausend Kilo abgenommen. Für diese letzten zehn Kilo dürfte ich höchstens ein Blatt Salat am Tag essen und ein Glas Luft dazu trinken. Aber, fuck it!, ich möchte auch die Fettuccine und den Sekt! Diese Schizophrenie scheint irgendwas typisch Amerikanisches zu sein. Einerseits dieser Körperkult und andererseits diese Prüderie überall... Amerikaner sind completely crazy. Es gibt diesen Körperkult – aber hast du mal einen gewöhnlichen Amerikaner gesehen? Ich komme nach New Jersey und denke: Oh my god! Diese Männer haben alle diese kurzen Hosen, Turnschuhe – und sind riiiesig! Ich fühle mich dort wie Kate Moss! Man sind die jumbo! Die sind echt dicker als hier. O.K., außer der Bundeskanzler.
Hast du zum Abschluß noch einen ganz speziellen Lebenstip für unsere Leserinnen?
Gebe nicht auf, girls! Be yourself und don't believe the hype! Lese keine Modemagazine mehr! Stop the insanity! Ich kann nicht sein as gorgeous as Michelle Pfeiffer, pop out babies wie ein Häschen, einem Job mit unglaublich viel Geld und auch noch unglaublich gut aussehen. Das ist einfach nicht echt. Und especially für das deutsche Frau: Lach ein bißchen über dich selbst, nimm dich nicht so ernst. Es ist alles nur eine big show.
Und was gibst du den männlichen Lesern mit auf den Weg?
Sei netter zu den Frauen und zu dir selbst. And everybody else: Sei so, wie du bist, mach weiter so! Und: Buy my book, support your local entertainer! Interview: Axel Schock
„The Big Show“ vom 24.2. bis 15.3., täglich außer Montag, 20.30 Uhr, in der Bar jeder Vernunft, Schaperstraße 24
Gayle Tufts: „Absolutely Unterwegs. Eine Amerikanerin in Berlin“, Ullstein 1998, 19,90 DM
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