: Keine Chance mehr für die teuren Postler
■ In Tiergarten tragen Sozialhilfeempfänger Amtsbriefe aus. Der Post gefällt die Idee ganz und gar nicht. Sie fürchtet um ihr Monopol und Arbeitsplätze. Jörn Jensen: „Gesetz des Marktes“
Tiergartens Bezirksbürgermeister Jörn Jensen (Bündnis 90/Die Grünen) bekommt heute Besuch von der Post. Manfred Helbig, Präsident der Deutschen Post AG, hat sich angesagt, um mit Jensen über die Postzustellung in Tiergarten zu sprechen. Denn seit November vergangenen Jahres wird die Ämterpost im Bereich Moabit statt von Postangestellten von ehemaligen SozialhilfeempfängerInnen ausgetragen.
Der Post gefällt diese Idee nicht. Als Jensen auch noch verkündete, man könne sie auf weitere Bezirke oder andere Ämter übertragen, sah die Post AG Handlungsbedarf. „Wenn man das konsequent weiterdenkt, dann sind auch bei der Post Arbeitsplätze gefährdet“, sagt ihr Sprecher Rolf Schulz. Die Bezirksämter seien wichtige Kunden für die Post, die diese nicht verlieren wolle. „Aber wir können niemanden zwingen, bei uns zu bleiben.“
Post-Chef Helbig will beim Bezirksbürgermeister nun um Verständnis für die Lage seines Unternehmens werben. Viel Erfolg dürfte er da nicht haben. „Wir wollen auf keinen Fall Arbeitsplätze vernichten“, so Jensens Einschätzung, „aber die Post muß sich wie jedes andere Unternehmen auch den Marktgesetzen stellen.“
Rechtliche Bedenken hat Jensen nicht. „Wir haben das Modell durch unser Rechtsamt prüfen lassen“, sagt der Bezirksbürgermeister. Auch Postsprecher Schulz sieht keine rechtliche Handhabe, um die neue Praxis in Tiergarten zu unterbinden. „Eigenzustellung sind nun einmal möglich“, weiß Schulz.
Die drei Stellen der „Bezirksamt-Postboten“, die jeweils auf ein Jahr beschränkt sind, werden aus dem Programm „Hilfe zur Arbeit“ finanziert. Doch sie wären auch ohne die Mittel aus dem Programm denkbar. „Die Stellen würden sich refinanzieren“, sagt Jensen. Bei den jährlich anfallenden Portokosten von 400.000 Mark wurden in den ersten drei Monaten bereits 15.000 Mark eingespart. Mittelfristig will der Bezirksbürgermeister die Postverteilung durch sogenannte Personalüberhangstellen erledigen lassen. Sabine am Orde
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen