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Krieg in Sierra Leone bedroht Liberias Frieden

■ Liberia, selber kriegszerstört, muß Zehntausende Flüchtlinge aufnehmen

Berlin (taz) – Der Frieden in Liberia, das sich gerade von einem siebenjährigen Bürgerkrieg zu erholen versucht, steht auf der Kippe. Der Grund ist in den heftigen Kämpfen im benachbarten Sierra Leone zu finden, wo eine nigerianische Eingreiftruppe vor knapp zwei Wochen die herrschende Militärjunta stürzte und jetzt dabei ist, die Kontrolle über den Rest des Landes zu erringen. Die schweren Kämpfe treiben Zehntausende von Menschen aus Sierra Leone in die Flucht ins Nachbarland. Liberias Regierung spricht von 100.000 Flüchtlingen, die in den vergangenen zwei Wochen die Grenze überquert hätten.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR bestätigte am Montag die Zahl von 14.000 Neuankömmlingen. Dies habe die Zahl der sierraleonischen Flüchtlinge in Liberia auf 140.000 erhöht. Die Flüchtlinge sammelten sich im westliberianischen Bezirk Lofa County, das unter dem Bürgerkrieg schwer gelitten habe.

Während Zivilisten aus Sierra Leone nach Liberia fliehen, ziehen Einheiten der von Nigeria geführten westafrikanischen Eingreiftruppe Ecomog aus Liberia nach Sierra Leone. Nigerias Armee bewerkstelligte den Sturz der sierraleonischen Junta unter Major Johnny Koroma am 12. Februar zwar auf eigene Faust, drängt jetzt aber auf Truppenhilfe aus anderen westafrikanischen Ländern. Damit soll die von Nigeria vertretene Auffassung, es habe sich beim Einsatz in Sierra Leone um eine regionale Intervention gehandelt und nicht um einen nigerianischen Alleingang, im nachhinein gerechtfertigt werden. Insgesamt befinden sich in Sierra Leone jetzt etwa 12.000 ausländische Soldaten; Nigeria will dies auf 15.000 erhöhen und hofft dafür auf Beiträge aus Ghana, Guinea, der Elfenbeinküste und Mali.

Zugleich werden nigerianische Kontingente aus Liberia per Land und Luft in die sierraleonischen Kampfgebiete gebracht. Damit ist es der Eingreiftruppe ermöglicht worden, diese Woche die größte noch von der ehemaligen Militärjunta gehaltene sierraleonische Stadt Bo anzugreifen.

Die Ecomog-Verlagerung nach Sierra Leone könnte helfen, den schwelenden Konflikt zwischen der Ecomog und Liberias Regierung unter Präsident Charles Taylor einzudämmen. Der gewaltsame Sturz der Militärjunta in Sierra Leone, der gute Beziehungen zu Taylor nachgesagt werden, hatte die Beziehungen zwischen Regierung und Eingreiftruppe deutlich verschlechtert. Nachdem Ecomog-Einheiten in Liberia geflohene sierraleonische Juntamitglieder festnahmen, rief Liberia seinen Botschafter aus Nigeria zurück und erinnerte die Ecomog, sie habe seit dem 2. Februar kein Eingreifmandat in Liberia mehr. Ecomog-Kommandeur Tim Shelpidi erwiderte, seines Wissens habe sich am Auftrag der Ecomog nichts geändert, woraufhin Taylor für diese Woche eine „Woche des Gebets“ ausrief, um die nach seinen Worten größte Krise des Landes seit dem Ende des Bürgerkriegs zu entschärfen.

Taylor verlangt von der Ecomog nun, die nach Liberia kommenden Flüchtlinge aus Sierra Leone an der Grenze zu überprüfen, um zu verhindern, daß bewaffnete Elemente ins Land einsickern. In den letzten Wochen mehrten sich Berichte, daß ehemalige Bürgerkriegsfraktionen in Liberia sich wiederbewaffnen, um für einen eventuellen Zusammenbruch des Friedens gerüstet zu sein. Dominic Johnson

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