What's hot, what's not: Oscarreife Lückenfüller
■ Was, wenn der aufgeregte Star mal kurz wohin muß: Geschmack in und um Hollywood
In Los Angeles sieht man gewöhnlich nicht eine einzige glamouröse Frau, von einer Schauspielerin, die als solche zu vermuten wäre, ganz zu schweigen. Das hat seinen Grund. Ein ganzes Jahr lang lebt die Stadt der Engel nämlich auf die Oscar-Verleihung hin.
Kein Abendkleid, kein Make- up soll vorab mit dem Glanz des einen großen Abends konkurrieren dürfen. Der Oscar-Abend beginnt bereits sechs Wochen vorher mit einem Sonder-Fitneß- Training, damit die Hintern auch in körpernah gelegte Stöffchen passen, und gipfelt kurz vor Beginn der Zeremonie in allerlei Kriegsbemalung, vorgenommen von berühmten Visagisten, die nicht selten selbst erstaunlich unansehnlich sind.
Solchermaßen perfekt zurechtgebastelt nehmen Stars und Starlets also ihre Plätze ein, vorausgesetzt, sie haben sich rechtzeitig drei Stunden vor Beginn – Oscar-Stau! – auf den Weg gemacht. Da sitzen sie nun, aufgerüscht wie Oma, als sie jung war, zur Kirmes, und die paar Gläschen Selters, die den knurrenden Magen beschwichtigen sollten, beginnen auf die Blase zu drücken. Man muß mal kurz auf den Ort, den selbst der Kaiser zu Fuß aufsucht.
Problem erkannt, Problem gebannt. Weil es vor den Zuschauern nicht angeht, daß die Kameras bei der Live-Übertragung über Drittel-leere Sitzreihen schwenken, wurden von den Veranstaltern vor fünf Jahren die Gattung der Lückenfüller eingeführt. Dieselben huschen, wenn, sagen wir, Nicole Kidman oder Mel Gibson dem Örtchen zustreben, unauffällig auf deren Plätze. Die ersten vierzehn Reihen müssen nämlich immer voll besetzt sein.
Ich stelle mir das naiverweise ein bißchen vor wie im Bundestag: Ein Rein und Raus, eine Unruhe! Aber so geht das an der Wiege der Logistik natürlich nicht vor sich. Zweihundert Lückenfüller werden aus sechshundert Bewerbern, überwiegend Mitarbeiter des Kanals ABC, handverlesen und in einer Art „Camp Oscar“ gedrillt, wo sie motivations- und formhalber auch ein Oscar-Basecap, ein Oscar-Plakat und ein Programm erhalten. Ohne Fleiß kein Preis.
Die Auswahlregeln sind streng: Lückenfüller müssen fabelhaft aussehen und eine gute Kinderstube aufweisen. Sie müssen hinreichend liquide sein, um geschmacklich wertvolle Oscar- Abendkleidung erwerben zu können. „Einmal kam ein Mann im blauen Anzug. Ich schmiß ihn raus!“ erzählt Mr. DiSante, ABC- Kommissar für Sonderaufgaben, dem Magazin Allure. An die 1.500 Dollar geben Lückenfüller für die Ehre aus, eventuell einen Star anhusten zu dürfen oder gar entdeckt zu werden.
Vor allem aber müssen Lückenfüller stumm sein. An ihrer Abendgarderobe hängt ein kleines laminiertes Schildchen: „Aus technischen Gründen nehme ich diesen Platz kurzzeitig ein.“
Natürlich wäre das alles der Erwähnung kaum wert, wenn nicht Erklärungsbedarf für den Fakt bestünde, daß man im Leben „immer keinen erkennt“. Kann man ja auch nicht, es sind alles nur Lückenfüller, die zu den besten Plätze drängeln! Doch ohne sie gäbe es da weder die hübschen Skandälchen noch die unerlaubten Fraternisierungen. Nick Nolte, den unsereins schon immer für einen Schnösel hielt, beschwerte sich, weil er nicht wollte, daß eine unbedeutende Lückenfüllerin neben ihm sitzt. Waren Beatty hingegen nahm seine gleich mit zu einer Party. Und einmal riß ein Lückenfüller sein Laminiertes ab und wurde später mit seinem Sitzpartner Jack Lemmon an einer Bar gestellt, wo sich beide einträchtig besoffen.
Nun, wir sehen uns dann, verspricht Anke Westphal
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