: „Wir haben noch mit vielen Problemen zu kämpfen“
■ Margret Moenig-Raane, Vorsitzende der Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen, über die geplante Mega-Gewerkschaft „Dienstleistungen“. Im Jahr 2000 soll sie 3,7 Millionen Mitglieder haben
taz: Der Mitgliederschwund treibt die sechs Einzelgewerkschaften in finanzielle Nöte. Ist dies der Grund für ihre Fusion?
Margret Moenig-Raane: Die Mitglieder laufen uns nicht zuhauf weg. Uns treibt auch nicht die Finanznot. Sondern wir wissen, gemeinsam können wir viel besser sein, als der einzelne es heute ist. Wenn wir zusammengehen und die Größe und die Vorteile der Stärke nutzen, haben wir auch die Möglichkeit, mindestens so differenziert zu sein wie heute. Wir werden in den Branchen differenziert auftreten, insbesondere in der Tarifarbeit. Zusammen können wir den Service für unsere Mitglieder besser leisten.
Wie garantieren Sie Müllmännern und Journalistinnen eine eigenständige Vertretung?
Eins haben beide gemeinsam: Sie brauchen einen stabilen Arbeitsplatz. Aber dort, wo wir etwa über Arbeitsplatzgestaltung und Tarife verhandeln, werden wir das zukünftig nicht gemeinsam machen. Da wird es auch weiterhin sehr viele Tarifbereiche und Branchen geben.
Wer verhandelt künftig für den öffentlichen Dienst: Herbert Mai, wie bislang, oder ein Mitglied der zentralen Tarifkommission der Dienstleistungsgewerkschaft?
Für den öffentlichen Dienst Hebert Mai, aber für die vielen anderen Tarifbereiche werden die jeweiligen Tarifkommissionen die Verhandlungen führen. Unsere Mitglieder und ihre Funktionäre sollen weiterhin in ihrer jeweiligen Tarifkommission diskutieren, beschließen und notfalls kämpfen. Deren Kraft wollen wir stärken. Eine Zentralisierung steht nicht im Mittelpunkt. Aber wir wollen die Serviceangebote der einzelnen Gewerkschaften bündeln, sie dadurch kostengünstiger und flächendeckend anbieten.
Tarifverhandlungen werden nicht im Konsens entschieden?
Es gibt heute schon unterschiedliche Branchenbedingungen. Im Bankenbereich können wir Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung fordern. Im Einzelhandel geht es in diesem Jahr um spürbare Einkommenserhöhungen. Diese unterschiedlichen Strukturen wird es weiterhin geben, und wir müssen individuell darauf reagieren.
Die Eisenbahner fürchten um ihre Autonomie und überlegen, wie sie mit einer Großgewerkschaft kooperieren könnten. Könnte sich die GdED als assoziiertes Mitglied bewerben?
Ich schließe gar nichts aus. Mit der GdED ist verabredet, daß wir weiter über unsere „politische Plattform zur Neustrukturierung“ diskutieren. Daß es kein fertiges Konzept gibt, ist momentan das Spannende. Wir bilden gemeinsam eine neuen Gewerkschaft, die eine neue Organisationsform haben wird, neue Aufgaben und Ziele, die über die traditionellen gewerkschaftlichen Felder hinausgehen. Da haben wir noch mit vielen Problemen zu kämpfen und viele Fragen zu klären.
Wie wollen Sie im Bereich der neuen Medien Mitglieder werben?
Denjenigen, die unter keinen Tarifvertrag fallen, wollen wir perspektivisch neue Leistungen anbieten: Wir könnten Vertragsberatungen geben oder berufsfachlichen Austausch. Das Gebot der Stunde heißt: Sorgfältig gucken, was die Menschen brauchen, damit sie ihre Arbeitsbedingungen nicht im Einzelkampf klären müssen. Interview: Annette Rogalla
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