: Li Peng mogelt sich in Peking nach vorn
■ Chinas KP-Zentralkomitee billigt Neubildung der Regierung und bereitet Volkskongreß vor
Peking (taz) – Wenn, wie in den vergangenen zwei Tagen, in Peking das Zentralkomitee der chinesischen Kommunisten tagt und niemand weiß, was drinnen vorgeht, erzählt man sich gerne alte Geschichten: Eigentlich sei nämlich die Entscheidung, die die Genossen gestern im geheimen besiegelt haben, schon kurz nach dem Parteitag im September gefallen. Genauer gesagt in den 45 Minuten, die damals die versammelte Weltpresse in der Großen Halle des Volkes warten mußte, bis die neue Parteispitze ihren ersten geschlossenen Auftritt hatte. Als es nämlich soweit war, hatte der Hardliner Li Peng, der nächste Woche nach zwei Amtsperioden als Premierminister zurücktreten muß, einen großen Sieg errungen: Er trat als zweiter gleich hinter Partei- und Staatschef Jiang Zemin in den Pressesaal und wurde damit zur imaginären Nummer zwei der Partei.
Gestern soll Li Peng dementsprechend das prestigeträchtige Amt des Parlamentsvorsitzenden als Ersatz für den Job des Premiers ergattert haben. Und das alles, weil er sich in jenen 45 Minuten, die das Politbüro um die eigene Marschordnung stritt, nach vorne drängeln konnte.
Ob die Geschichte nun stimmt oder nicht: Li Peng gilt schon heute als heimlicher Sieger des Nationalen Volkskongresses, den das Zentralkomitee gestern vorbereitete. Die andere große Personalentscheidung der am 5. März beginnenden Parlamentstagung steht seit langem fest: Wirtschaftszar Zhu Rongji wird zum Premier aufsteigen und gleichzeitig eine breite Regierungsumbildung vornehmen. Seine Ministerliste, der aufgrund der Vormachtstellung der Partei nicht so große Bedeutung zukommt, wurde gestern vom Zentralkomitee gebilligt.
Hinter den Kulissen tobte derweil ein Streit um die Zusammenlegung von mindestens zehn Ministerien, mit der Tausende hoher Beamter ihren Job verlieren könnten. Zhu hat die Rationalisierung im Regierungsapparat offenbar zu einer Voraussetzung für seine Amtsübernahme gemacht. Dabei geht es ihm nicht um finanzielle Einsparungen, sondern um die Zerschlagung ihm feindlich gesinnter Lobbies. Der Kongreß wird zeigen, wieweit er sich hier durchsetzen konnte. Georg Blume
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