Teufelskreis aus Geldmangel und Kundenflucht

■ Der BVG geht es schlecht. Besserung ist nicht in Sicht: Jedes Jahr 1,2 Milliarden Mark minus, die das Land Berlin nur zum Teil bezahlt. Nötig wären attraktive Angebote für die Kunden und Geld vom Staat

Die Abwärtsspirale der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) dreht sich immer schneller. Bereits zum viertenmal innerhalb von zwei Jahren erhöht der größte Nahverkehrskonzern Deutschlands die Preise. Während die BVG auf immer höhere Abgaben von immer weniger Kunden bei immer schlechterem Angebot setzt, plädieren Verkehrsexperten für eine Senkung der Preise und eine Verbesserung des Angebots. Dazu allerdings brauchte es eine massive Finanzspritze für die BVG und eine grundlegend andere Verkehrspolitik. Denn die Anschaffung und Wartung der Busse und Bahnen ist kostspielig. Noch teurer ist das BVG-Personal. Allein 65 Prozent der BVG-Ausgaben sind Personalkosten. Von jeder Mark, die das Unternehmen ausgibt, nimmt es nur 48 Pfennig selbst ein; erst bei 65 Pfennig gilt die BVG als wettbewerbsfähig. Der Rest muß durch Subventionen und Kredite zusammenkommen.

1997 hatte die BVG bei einem Haushalt von gut 2 Milliarden ein Defizit von 1,2 Milliarden Mark, obwohl erheblich rationalisiert wurde. Statt einer vertraglich zugesicherten Ausgleichzahlung von jährlich 970 Millionen Mark überweist das Land nur 921 Millionen. Insgesamt muß die BVG jährlich etwa 300 Millionen Mark an Krediten aufnehmen. Da die BVG dem Land gehört, sind dies letztlich nur verdeckte Landesschulden. Für die Zeit nach 2000 hat die Finanzverwaltung bereits angekündigt, den Zuschuß an die BVG um weitere 200 Millionen Mark jährlich zu reduzieren.

Was der BVG zu tun übrigbleibt, sind Fahrpreiserhöhungen. Davon hat sie überreichlich Gebrauch gemacht – doch besser geht es ihr deshalb noch lange nicht.

Berechnet an der Umweltkarte, wurde die Belastung für die Kundschaft zwischen 1992 und 1998 fast verdoppelt – doch in der gleichen Zeit haben sich die Umsatzerlöse der BVG nur um 8 Prozent erhöht. Seit 1994 ist die Zahl der BVG- Nutzer (ohne die S-Bahn) von 910 Millionen auf 742 Millionen im Jahr 1997 zurückgegangen. Für die BVG sind steigende Arbeitslosigkeit und schwindende Einwohnerzahlen der Grund. Verkehrsexperten wie der Grüne Michael Cramer halten die Verschlechterung des Angebots bei steigenden Preisen dagegen für die Hauptursache. Die BVG sei zu unflexibel, ist seine Kritik.

Abhilfe sieht Jürgen Senst, der Tarifexperte des Verkehrsverbundes VBB, bei Semester- und Jobtickets. Mit entsprechenden Angeboten müßten große Teile der Bevölkerung überhaupt erst wieder an die BVG gewöhnt werden. Wenn die Talfahrt der Passagierzahlen gebremst sei, könne die zweite Stufe folgen: Der Senat müsse massiv in die Infrastruktur investieren, um ein besseres Angebot machen zu können. Die Preise seien jedenfalls kaum noch zu erhöhen, „sonst landen wir auf dem Bauch“.

Eine klare Prioritätsentscheidung zwischen Autoverkehr und öffentlichem Nahverkehr fordert auch der Tarifexperte des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), Hinrich Kählert. „Wir haben nicht genug Geld, um gleichzeitig beide Netze auszubauen.“ Bisher sei der Nahverkehr nur als Mindestangebot für die Armen, Alten und Arbeitslosen gesehen worden. Für eine Verkehrswende müsse aber der Straßenraum für den Autoverkehr massiv eingeschränkt werden und auf teure Großprojekte (Beispiel: Pré-Metro) verzichtet werden. Geschehe dies nicht, werde sich der Teufelskreis fortsetzen: Ohne Geld werde das Angebot schlechter und das Netz kleiner, damit schwänden die Kunden und damit das Geld. „Ein Ende dieser Negativspirale für den Nahverkehr wird es erst geben, wenn die Straßen wirklich überlastet sind.“ Bernhard Pötter