: Schwarzfahren morgens unmöglich
■ Heute stehen bis 8 Uhr Busse und Bahnen der BVG wegen des Warnstreiks im öffentlichen Dienst still. Gestern Proteste in Finanzämtern und Kindergärten. ÖTV: "Stimmung kämpferisch"
Wer heute pünktlich zur Arbeit erscheinen will, der sollte trotz schlechten Wetters aufs Fahrrad umsteigen. Das jedenfalls hat gestern der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) als Ausweg beim Warnstreik der BVG empfohlen: Denn von Betriebsbeginn bis 8 Uhr morgens werden die U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse ihre Endbahnhöfe und Depots nicht verlassen. Die Gewerkschaft ÖTV rechnet mit einer Normalisierung des Berufsverkehrs etwa ab 9.30 Uhr.
Die BVG konnte zu den Auswirkungen des Streiks nichts sagen, doch die Polizei hofft darauf, daß die aus dem Nahverkehr Ausgesperrten Fahrgemeinschaften bilden, um das große Chaos auf den Straßen zu verhindern.
Mit den Aktionen wollen die Gewerkschaften die öffentlichen Arbeitgeber in Bund, Ländern und Gemeinden zu einem Angebot in den laufenden Tarifverhandlungen zwingen, die heute in Stuttgart stattfinden. Die öffentliche Hand beharrt bisher auf einer Nullrunde. Die Gewerkschaften fordern für die rund 3,2 Millionen Arbeitnehmer eine durchschnittliche Lohnerhöhung von 4,5 Prozent.
Die Warnstreiks im öffentlichen Dienst, organisiert von den Gewerkschaften ÖTV, GEW und dem DGB, weiteten sich bereits gestern auf Berlin und Brandenburg aus. Die GEW rief mehr als 180 Kindertagesstätten (Kitas) und diverse Grund- und Sonderschulen zur Arbeitsniederlegung zwischen 6 Uhr und 10 Uhr auf. 4.000 MitarbeiterInnen des öffentlichen Dienstes, vor allem aus den Bezirksämtern, nahmen an einer Kundgebung vor dem Sitz des Innensenators teil. Die Bürgerberatung in den Amtsstuben war zeitweilig unterbrochen oder eingeschränkt. Nach Angaben der ÖTV waren allein in den Verwaltungen rund 6.500 Mitarbeiter im Ausstand. Die Arbeit ruhte außerdem zeitweise an drei Schleusenanlagen und in den Finanzämtern und Kliniken. Die Betreuung der Patienten sei dabei nicht vernachlässigt worden, versicherte ÖTV-Sprecher Ernst-Otto Kock. „Die Stimmung beim Streik ist kämpferisch und böse“, meldet die ÖTV.
Der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes Berlin, Joachim Jetschmann, betonte erneut, daß die Teilnahme von BeamtInnen nach der gültigen Rechtslage rechtswidrig sei. Das besondere Dienst- und Treueverhältnis aller BeamtInnen verbiete eine Teilnahme an einem Streik, Warnstreik oder ähnlichem. „Der Senat von Berlin sollte seine laue Haltung gegenüber denjenigen aufgeben, die das Berufsbeamtentum immer wieder in Frage stellen wollen, und ihnen mit Entschiedenheit gegenübertreten.“ Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) appellierte an die Gewerkschaften, die Verhandlungen nicht durch überzogene Forderungen von vornherein zu blockieren. Wer Streiks im öffentlichen Dienst anzettele, handle verantwortungslos. „Gerade Berlin hat in den letzten Jahren viel für Lohngerechtigkeit im öffentlichen Dienst getan. Die Löhne und Gehälter im Ostteil wurden an das Westniveau angeglichen.“ Markus Viehauser
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