■ Guido, Guildo und Gerhard
: Haß auf die Massen

Guido Westerwelle trägt seit seiner Bestallung zum FDP- Generalsekretär ein hohes Risiko. Er muß seine Partei deutlich als Partei der Besserverdienenden profilieren; zugleich hat er dafür Sorge zu tragen, daß dieser Lobbyismus für Anwälte, Notare, Architekten, Ärzte und leitende Angestellte bei den Geschröpften als Altruismus erscheint. Der Mann machte seinen Job bislang gut – mit einer Mischung aus Eloquenz und Dreistigkeit hat er die Immer-Regierungspartei zur Opposition in der Regierung stilisiert.

Seine Nerven mußten so sehr bloßgelegen haben, nachdem Niedersachsen den Gelben das Siegel parlamentarischer Relevanz abermals verweigerte. So formulierte Westerwelle denn spitzlippig zum Sieg des Lokalmatadoren: „Das Phänomen Gerhard Schröder ist das Phänomen Guildo Horn.“

Für sich genommen ein kryptischer Satz. Läßt er sich vielleicht doch erklären? Ist dem Propagandisten des Besserverdienertums der Schlager- Grand-Prix zu Kopfe gestiegen? Ist er beleidigt, daß nicht „Rosenstolz“ gewonnen hat? Nichts ist darüber bekannt. Vielleicht liebt er auch eher Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, besonders die Passage mit dem Herbst. Was meint aber Westerwelle mit dem beleidigten Hinweis auf Guildo Horn? Mokiert er sich über dessen schütteres Haar und die scheinbare Kulturlosigkeit seines Liedes – und damit über Gerhard Schröder und seinen proletenhaften Geschmack (Currywurst)?

Guildo Horn hat in der vorigen Woche einen grandiosen Schlagerwahlsieg errungen – per TED. So wie kurz darauf Schröder an der Wahlurne, also nicht minder demokratisch. Offenbar haßt Westerwelle demokratische Resultate. Das muß man verstehen: Seine Partei hat, wie gesagt, in jüngster Zeit sehr oft unter ihnen gelitten.

Aber muß man deshalb gleich die Wähler verachten? Die, die Junk food zu sich nehmen und lieber Partys als Stehempfänge feiern? In Westerwelles spontaner Reaktion verrät sich mehr als ein gezwungenes Verhältnis zur Pointe, vielmehr ein urliberaler „Haß auf die Massen“, wie der britische Philologe John Carey dieses Phänomen genannt hat.

Mißtrauen gegen den schmutzigen Pöbel, der die Zumutungen von Liberalen vom Zuschnitt des feinen Generalsekretärs am liebsten in die Sektenhaftigkeit verbannen würde: Man wird sich diese Sottise bis auf weiteres merken. JaF