: „Behörde hat den Überblick verloren“
■ Endgültiges Kienbaum-Gutachten zum Lehrereinsatz konstatiert Managementfehler / Bildungssenatorin Kahrs (SPD) mit vorauseilendem Gehorsam: Ferienarbeit für Lehrkräfte
„Die Bildungsbehörde hat den Überblick verloren“– ist das Fazit des Kienbaum-Gutachtens zur „Effizienz des Lehrereinsatzes im Land Bremen“, das Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) gestern entgegennahm. „Die Probleme an den Schulen sind durch Managementfehler verschuldet“, erklärte Gutachter Axel Koetz.
Bremen gebe im Ländervergleich sehr viel Geld für Personalkosten aus. Trotzdem sei bereits für das Schuljahr 2000/2001 mit einem Defizit von 7.500 Wochenstunden zu rechnen – das entspricht rund 450 Stellen. Hintergrund für den, so Kroetz, „ineffizienten Einsatz“sei das „für ein so kleines Land sehr komplexe Schulsystem“. Weil „fast jede Schule ihre Besonderheiten“habe, seien die Klassen oft klein – in Bremer Hauptschulen bilden durchschnittlich 15,3 SchülerInnen einen Klassenverband, im Bundesdurchschnitt sind es 21,7. Da er nicht das System zu überprüfen gehabt habe, könne er nur Maßnahmen vorschlagen, die die Symptome verbesserten, sagte Kroetz: „Rauf mit den Klassenstärken.“
Ein weiteres Problem sei die Kontrolle: Die jeweiligen Sonderbedarfe für Fördermaßnahmen – etwa für zusätzlichen Deutschunterricht für MigrantInnen und Rußlanddeutsche oder für die Betreuung von behinderten oder auch hochbegabten SchülerInnen – werden aus einer Vielzahl verschiedener Töpfe bestritten. „Und die Rückkopplung fehlt“, konstatierte Koetz. „Die Schulen können letztlich machen, was sie wollen.“
Auch wenn diese Kritik die soeben erst gestärkte Autonomie der Schulen in Frage stellte, sah die Bildungssenatorin sie als Bestätigung ihrer bisherigen Politik. „Wir müssen das Controlling verbessern und ein Berichtwesen aufbauen“, sagte sie. Ansonsten werde es aber „keine neuen Veränderungen“geben. Kein Wunder: Die meisten Ergebnisse des Gutachtens sind längst in konkrete Vorhaben umgesetzt. Erst im vergangenen Jahr hatte Kahrs Pflichtstundenzahl und Soll-Klassenfrequenzen heraufgesetzt. Und auch „Lehrerarbeitszeit-Ausweitungsverordnungen“– so der Personalrat Schulen – sind in der Abstimmungsphase.
„Ich habe den Eindruck, daß das Gutachten nur diese Politik legitimieren soll“, erklärte denn auch Personalratschef Thomas Koball: „Das heißt: Mehrarbeit für die Lehrkräfte.“So soll Arbeitszeit, die für naturwissenschaftliche Sammlungen und Bibliotheken aufgewandt wird, nicht mehr auf die Pflichtstundenzahl angerechnet werden – bisher war eine Stunde pro Woche absetzbar. „Die Kollegen, die deutlich mehr investiert haben, fühlen sich dadurch abqualifiziert“, so Koball.
Aber auch der drohenden Unlust, bei mehr Pflichtstunden und höherer Arbeitsdichte überhaupt Zusatzanforderungen zu übernehmen, hat die Bildungssenatorin entgegengebaut: Wenn sie sich durchsetzt, dürfen LehrerInnen – die keinen Anspruch auf Bildungsurlaub haben – nur noch in der unterrichtsfreien Zeit an Fortbildungen teilnehmen. Und sie müssen in den Ferien verfügbar sein. bw
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