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Weichspüler für den Klimareport

■ Der Energiebericht des Senats malt die Lage als prima Klima: Ein erster Entwurf unabhängiger Gutachter wurde so umgeschrieben, daß kritische Passagen wegfallen sind. Senatsressorts streichen Kritik an ihrer

Statt eines spannenden Berichts über die Erfolge und Defizite der Berliner Klimapolitik bekommen die Mitglieder des Abgeordnetenhauses derzeit einen schwer verdaulichen Papierklotz vorgelegt. Denn im Gegensatz zur ersten Fassung drückt sich der „Energiebericht Berlin“, den der Senat mit einjähriger Verspätung dem Parlament vorlegt, in entscheidenden Passagen um klare Aussagen zur Klimapolitik. Viele negative Anmerkungen wurden entweder gestrichen oder umformuliert, Kritik an der Industrie wurde ebenso geglättet wie Tadel für die Verwaltung.

Vor einem Jahr hatten das Öko- Institut, die Forschungsstelle für Umweltpolitik der FU und die „Energie- und Umweltmanagementberatung Pöschk“ den ersten Entwurf vorgelegt. Das 200seitige Papier nahm dann den Weg durch die Senatstressorts zur Mitzeichnung. Das hat dem Papier nicht gut getan. Entscheidene Schlußfolgerungen wanderten von prominenter Stelle im Gutachten auf unscheinbare Plätze mitten im Text oder fielen ganz weg.

Im einzelnen betont der Senatsbericht vor allem die Fortschritte bei der Klimapolitik, während das Gutachten sich den Defiziten widmet. So warnt es vor der „Erosion der zentralen Kraft-Wärme-Kopplung“, die einen „klimapolitischen Standortvorteil“ darstelle. Die Passage fehlt im Energiebericht, weil sie „eine Prognose ist, wir aber nicht wissen, ob sich diese Entwicklung überhaupt einstellt“, so Klaus Müschen von der Energieleitstelle der Umweltverwaltung. Weggefallen ist auch die Kritik der Gutachter an einem fehlenden „Einsatz ordnungsrechtlicher Instrumente“ gegenüber der Wohnungswirtschaft. Ebenfalls gestrichen hat die Verwaltung das Urteil, daß bei der Bewirtschaftung öffentlicher Gebäude „keine durchgreifenden Fortschritte“ gemacht wurden und eine „glaubwürdige Vorreiterrolle des öffentlichen Sektors“ nötig sei. Während das erste Gutachten kritisiert, daß eine Umsetzung der CO2-Selbstverpflichtung durch die Industrie „bis heute nicht erkennbar ist“ und das Feld „von einer insgesamt geringen Aktivitätsdichte gekennzeichnet ist“, betont der Energiebericht die Aktivitäten und Pilotprojekte und versteckt die fehlende Umsetzung der Selbstverpflichtung am Ende des Kapitels.

Am deutlichsten sind die Korrekturen im Verkehrsbereich. Während im ersten Gutachten die Zusammenfassung vier Seiten umfaßt, paßt sie im Energiebericht auf eine einzige Seite. Ein Vorschlag aus dem Gutachten zur klimaverträglichen Verkehrsgestaltung ist weggefallen, ebenso wie die Feststellung einer „großen Diskrepanz zwischen den Zielen und den konkreten Maßnahmen“ und die Forderung nach einem schlüssigen Konzept für den Nahverkehr. Übriggeblieben ist im Energiebericht das Eingeständnis, daß die geplanten Maßnahmen nicht ausreichten, um die Umweltentlastungen zu erreichen. Ansonsten wird auf den „Stadtentwicklungsplan Verkehr“ verwiesen, der derzeit in Arbeit ist.

Für den umweltpolitischen Sprecher der grünen Fraktion, Hartwig Berger, „verschleiert der Senat damit eine vorläufig gescheiterte Politik des Klimaschutzes in der Stadt“. Ein offenes Eingeständnis der Versäumnisse sei notwendig, um eine Energiewende zu erreichen. Bernhard Pötter

Bericht Seite 23

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