: „Wir sind dem Untergang geweiht“
■ Abaton-Chef Werner Grassmann sieht schwarz: Multiplex-Kinos rauben Hamburgs Programmkinos das Publikum
Hamburger Programmkino-Betreiber machen Multiplex-Kinos für das Sterben traditioneller, kleiner Lichtspielhäuser verantwortlich. „Kleinere Häuser im Dunstkreis von Großkinos sind dem Untergang geweiht“, sagte gestern der Leiter des Hamburger Programmkinos Abaton, Werner Grassmann. Das Abaton im Univiertel habe im Vorjahr rund 20 Prozent weniger Besucher gehabt: „Erstmals seit Jahren schreiben wir rote Zahlen“, sagte Grassmann. Das älteste Programmkino Hamburgs (gegründet 1970) ist von den drei Multiplexen Ufa-Palast am Gänsemarkt, Cinemaxx am Dammtor und Grindel-Kino umgeben.
In Hamburg gibt es 28 Kinos mit 80 Leinwänden und rund 20.000 Sitzplätzen. Zu Beginn der neunziger Jahre setzte der Boom der Mammut-Kinos, sogenannter Multiplexe, ein: Kinoneubauten mit mindestens sieben Sälen, Gastronomie, Parkplatzangebot oder guter Nahverkehrsanbindung. Ende 1995 eröffnete Deutschlands größter Kinobetreiber Ufa die Grindelkinos als Multiplex mit 1800 Sitzplätzen. 1996 folgte das Cinemaxx am Dammtor mit 2700 Plätzen. Dessen Betreiber sind die Flebbe Filmtheaterbetriebe, die mit 13 Kinos und rund 30.000 Plätzen der bundesweit größte Multiplexbesitzer sind. Als drittes und größtes Mammutkino kam im vorigen Jahr der Ufa-Palast am Gänsemarkt mit 3200 Kinosesseln dazu.
Derzeit baut die United Cinemas International (UCI) zwei Kinos in Wandsbek und in Othmarschen mit insgesamt mehr als 5000 Plätzen. An der Mundsburg entsteht von Warner Bros. ein 2100 Platz großer Komplex. Als weitere Standorte für Multiplexe sind zur Zeit Wandsbek (Zollstraße, Wandsbeker Quarree), Harburg (Harburger Carree), Altona (Gasstraße), St. Pauli und in Bergedorf im Gespräch. Werden alle angedachten Projekte realisiert, dann verfügt Hamburg über weitere etwa 15.000 Kinosessel.
Nach Meinung Grassmanns kann jedoch der Bauboom der Multiplexe nicht unbegrenzt anhalten, weil sich die Großkinos sonst gegenseitig Konkurrenz machen. Enger für die neuen Kinopaläste könnte es auch durch amerikanische Produktionsfirmen werden, die als Kinobetreiber immer mehr auf den deutschen Markt drängten, meinte Grassmann. „Wahrscheinlich wachen die Investoren erst auf, wenn das erste Multiplex-Kino pleite gemacht hat und als Ruine dasteht.“ Sandra Jessel
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