: „Abacha go kill“ stört den „Fanfarenruf“
Die Frage, ob Nigerias Militärdiktator Abacha nach den Wahlen Präsident bleiben soll, spaltet das Land. Die Demokratiebewegung geht auf die Straße, ein großes Pro-Abacha-Fest in der Hauptstadt erweist sich als relativer Flop ■ Aus Lagos Kofi Mensah
„Wir machen weiter, mit oder ohne Kooperation der Polizei“, sagt Abdul Oroh, Exekutivdirektor der nigerianischen Bürgerrechtsgruppe CLO (Civil Liberties Organisation). „Dies ist nur der Anfang.“ Die schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten in der nigerianischen Metropole Lagos am Dienstag haben Nigerias Opposition nicht eingeschüchtert. So will der nationale Studentenbund Nans nun einen „Marsch der 20 Millionen“ auf die Beine stellen. Daß in Nigerias Hauptstadt Abuja jetzt Mammutkundgebungen für den Verbleib des Junta-Chefs Sani Abacha im Präsidentenamt nach dem geplanten Übergang zu einem Zivilregime am 1. Oktober dieses Jahres stattfanden, mobilisiert die Bürgerrechtler zum Weitermachen: „Wir bestehen auf Gleichberechtigung mit der Pro-Abacha- Gruppe“, sagt Oroh.
Am Dienstag waren in Lagos nach Oppositionsangaben trotz eines Verbots durch die Polizei insgesamt etwa 90.000 Menschen dem Aufruf des Oppositionsbündnisses UAD (United Action for Democracy) gefolgt, eine Gegendemonstration zu den Pro-Abacha-Kundgebungen in Abuja zu bilden. Es gab mehrere Zusammenkünfte; im ursprünglich vorgesehenen Kundgebungsort Yaba-Motor-Park sammelten sich etwa 50.000 Menschen, darunter viele Studenten, und riefen Parolen in Pidgin-Englisch wie „Police dey chop, Army dey chop, Abacha dey chop“ (Polizei tötet, Armee tötet, Abacha tötet) oder „How many people Abacha go kill?“. Die massiv aufmarschierte Polizei versprühte Tränengas und eröffnete schließlich am Nachmittag das Feuer. Es gab viele Verletzte. In Reaktion darauf warfen Demonstranten mit Steinen. Eine schwangere Frau wurde totgetrampelt.
Der Organisator der Demonstration, UAD-Vorsitzender Olisa Agbakoba, wurde zusammen mit etwa 30 anderen Menschen verhaftet. Agbakoba, der 1995 den Bürgerrechtler Ken Saro-Wiwa vor Gericht verteidigte, wurde von der Polizei mit Gewehrkolben geschlagen und könnte nun sein linkes Auge verlieren. Nach Angaben der Journalistengewerkschaft NUJ sind noch etwa 15 Journalisten wegen ihrer Anwesenheit bei der Demonstration in Haft, zwei sind verschwunden.
Währenddessen haben die Pro- Abacha-Kundgebungen in Abuja, die Abacha zur Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl am 1. August und damit zum sicheren Amtserhalt auffordern sollten, offenbar einen eher mäßigen Erfolg gehabt. Trotz massiver Werbung durch regierungsnahe Gruppen kamen laut Zeitungen statt der geplanten zwei Millionen höchstens 200.000 Teilnehmer zusammen. Zur Abschlußkundgebung am Mittwoch fanden sich bis zum frühen Abend nur 70.000 Menschen auf dem Paradeplatz der nigerianischen Hauptstadt ein. Dem zuvorgegangen waren zwei Tage von Musik, Tanz und Reden, die rund um die Uhr in Radio und Fernsehen übertragen wurden.
„Wir wollen Nigeria als starke Nation sehen, die weltweit respektiert wird“, sagte zum Beispiel der Redner der regierungstreuen Jugendorganisation Nacyan (National Council of Youth Associations of Nigeria). „Wir glauben, daß General Sani Abacha der einzige ist, der die Nation zu dieser hohen Position führen kann. Wir fordern General Abacha daher auf, dem Fanfarenruf der Jugend Folge zu leisten. Wir erklären gegenüber der Welt unsere volle Verantwortung für den Aufruf an Abacha, im Amt zu verbleiben.“
Etwa hundert Redner – Gouverneure, Minister, prominente Frauen, traditionelle Führer – lobten Abacha als den einzigen Menschen, der den Kollaps Nigerias verhindern könne. Als Beweis verwiesen sie auf Nigerias militärisches Eingreifen in Liberia und Sierra Leone. Aus diesen und anderen westafrikanischen Staaten waren Delegationen zugegen. Die meisten staatlichen Stellen blieben geschlossen, damit ihre Angestellten mitdemonstrieren konnten. 40 Musikstars waren eingeladen, Loblieder auf Abacha zu singen, und bekamen je nach Bekanntheitsgrad zwischen 10.000 und 25.000 Dollar – aber fast alle beschränkten sich auf allgemeine Texte über peace and love. In der Luft kreisten zwei Hubschrauber, einer vom Militär und einer von der staatlichen Ölgesellschaft, und über dem Fest schwebte ein großer Ballon mit der Aufschrift „Abacha For President“.
Das ganze Spektakel soll etwa zehn Millionen Dollar gekostet haben, die nach Angaben der Organisatoren von privaten Spendern zur Verfügung gestellt wurden. Das Geld sollte dazu dienen, durch Zahlung von 40 Dollar pro Kopf Teilnehmer aus allen Landesteilen anzulocken – bevorzugt arbeitslose Jugendliche zwischen 15 und 30 Jahren, für die 40 Dollar ein Vermögen sind und die freie Kost und Logis bei Live-Musik ebenfalls schätzen.
Daß trotzdem sowenig Leute den Weg nach Abuja fanden, erklärt sich daraus, daß viele Werber das Geld selber behielten. So weigerten sich in Lagos viele Angeworbene, nach Abuja zu fahren, weil sie ihre 40 Dollar nicht bekommen hatten. Die große Mehrheit der Teilnehmer kam schließlich aus dem Norden Nigerias, wo das Militärregime am meisten Unterstützung hat. Doch Ärger über nicht gezahltes Geld oder nicht bereitgestellte Unterkunft führten dazu, daß gestern nach Abschluß der Veranstaltungen Massenschlägereien ausbrachen.
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