: Ablaßbriefe für die USA
In Geheimverhandlungen mit Rußland und der Ukraine über Verschmutzungslizenzen versucht Präsident Clinton seine Klimaschutz-Auflagen aus Kioto zu mindern ■ Von Matthias Urbach
Ein Vierteljahr nach dem Klimagipfel in Kioto machen die USA und Japan mit ihrer Drohung Ernst: Für gestern und vorgestern lud der US-Chefunterhändler in Klimafragen, Stuart Eizenstat, seine Amtskollegen aus den Staaten der „Regenschirm-Gruppe“ nach Washington zu vertraulichen Gesprächen, das berichtet die Zeitung Japan Times. Unter dem „Regenschirm“ versammelten sich in Kioto die großen Bremser im Klimaschutz: die USA, Japan, Kanada, Australien und Neuseeland.
Und sie nahmen gleich noch die Ukraine und Rußland hinzu. Der Grund: Die beiden Länder müssen ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis 2010 bloß stabilisieren, werden aber durch den Zusammenbruch ihrer Großindustrie ohne eine einzige Klimaschutzmaßnahme deutlich darunter bleiben. Das Kiotoer Protokoll erlaubt Rußland und der Ukraine grundsätzlich, ihre nicht ausgenutzten Ausstoßquoten als Verschmutzungslizenzen zu verkaufen. Faktisch sind das klimapolitische Ablaßbriefe. Die Details diese Handels sollen im November auf dem nächsten Klimagipfel in Buenos Aires festgelegt werden.
Das Treffen ist ein Affront gegen die EU. Die USA möchten die EU vom Handel ausschließen und sich möglichst viel dieser Verschmutzungslizenzen selbst sichern. Am Mittwoch erst präsentierte Clintons Regierung ein Papier, nach dem sie die Klimaschutzverpflichtungen nur rund 200 Mark pro Haushalt pro Jahr kosten werde – nicht zuletzt wegen des Verschmutzungshandels, so hieß es.
Im Bonner Umweltministerium gab man sich nun gelassen, stellte aber auch klar, daß es den Umfang des Ablaßhandels stark begrenzen wolle. Allerdings befindet sich die EU hier in der Defensive, es gelang ihr in Kioto nicht, verständlich zu machen, warum es etwas anderes ist, wenn die EU-Staaten die Lasten unter sich aufteilen, als wenn nicht zusammenhängende Länder sich unter einen Schirm stellen. Umweltverbände waren von der schlampigen Vorbereitung der EU vor Kioto enttäuscht und drängen nun auf Besserung.
Das tut auch das EU-Parlament. In einer Entschließung forderte es die EU-Kommission auf, sich gründlich auf den nächsten Gipfel vorzubereiten. Die EU solle außerdem einseitig strengere Verpflichtungen eingehen, als vom Klimaprotokoll gefordert, und zwar in Höhe ihrer ursprünglichen Verhandlungsposition von 15 Prozent Minderung bis 2010. Dazu sollten verbindliche Zeitpläne und konkrete Maßnahmen festgelegt werden. So soll etwa eine Richtlinie vorgelegt werden, nach der die Neuwagen bis 2010 im Durchschnitt nur noch drei Liter Sprit verbrauchen dürfen.
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