Endstation „Auschwitz-Lüge“

■ Der letzte Kampf des Roger Garaudy. Der ehemalige KPF-Intellektuelle und spätere Muslim hat Politik stets aus religiöser Überzeugung betrieben. Stationen einer Niederlage des Denkens

Am 27.Februar wurde der französische Philosoph Roger Garaudy zu 120.000 Franc Strafe wegen diffamation raciale und „Leugnung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verurteilt. Dies ist das Ende einer Karriere, die Garaudy nach 1945 bis zu seinem Ausschluß 1970 zunächst als prominenten Intellektuellen der KPF ins Rampenlicht stellte. Halb dem Zeitgeist folgend, halb ihm vorauseilend, gelang ihm der Anschluß als Ökologie-Philosoph, Verfechter von Kulturdialog und neuer Religiosität. Sein Übertritt vom Christentum zum Islam wurde allerorts spöttisch kommentiert. Doch war er mit dieser „ökumenischsten aller Religionen“ schon seit langem eng verbunden, weil er ihr, wie er oft betont hat, sein Leben verdankt. 1940 als politischer Gefangener vom Vichy-Regime in ein Lager in der Sahara deportiert, überlebte er eine Gefangenenmeuterei nur deswegen, weil die als Wachpersonal rekrutierten algerischen Spahis sich aufgrund ihrer „mittelalterlichen Ethik“ weigerten, die unbewaffneten Internierten einfach zusammenzuschießen.

Dort schloß Garaudy auch Freundschaft mit einem jüdischen Mitgefangenen, Bernard Lecache, Gründer der Internationalen Liga gegen Rassismus und Antisemitismus (LICRA). Zum Bruch mit seinen jüdischen Freunden – mit wenigen Ausnahmen, darunter Yehudi Menuhin – kam es, als Garaudy anläßlich der israelischen Invasion im Libanon am 17.6. 1982 in Le Monde eine scharfe Kritik am Zionismus veröffentlichte, zwei Wochen später konvertierte er in Genf zum Islam. Heute behauptet er nun, der Holocaust sei ein „Gründungsmythos“ des Staates Israel, eine historische Erfindung zur Rechtfertigung der israelischen Politik: so in seinem Buch „Les mythes fondateurs de la politique israélienne“, das 1995 zunächst in dem einschlägig „linksrevisionistisch“ bekannten Verlag La Vielle Taupe erschien und im Jahr darauf von Garaudy im Eigenverlag weiterverlegt wurde. Die Gaskammern seien nachträglich konstruierte Attrappen. Die „Endlösung der Judenfrage“ sei die Deportation der Juden in Arbeitslager gewesen, bei denen gewiß sehr viele ums Leben kamen, aber sozusagen nicht absichtlich. Applaus und viel Geld bekam Garaudy dafür aus der islamischen Welt; nach einer triumphalen Propagandareise durch den Nahen Osten im Januar und Februar wurde ihm jüngst vom ägyptischen Kulturminister der höchste islamische Orden des Landes verliehen.

Garaudys Weg zur „Auschwitz- Lüge“ stellt in gewisser Hinsicht die nachholende Bestätigung dessen dar, weswegen ihn die LICRA schon 1982 – ohne Erfolg – verklagt hatte: Antizionismus gleich Antisemitismus. Worauf Garaudy mit einem Traktat gegen den Zionismus („Der Fall Israel“, frz. 1983, dt. 1986) antwortete, in dem er bereits die Instrumentalisierung des Holocaust für die zionistische Politik kritisiert, „den an den Juden begangenen Genozid“ zwar keineswegs in Frage stellt, aber durch die Aufrechnung mit der Gesamtzahl der Opfer des Zweiten Weltkriegs die von den Nazis intendierte Einreihung des Genozids in das Kriegsgeschehen übernimmt.

Wenige Jahre später verdarb Garaudy es sich jedoch auch zumindest zeitweilig mit seinen arabischen Freunden, wie er damals erklärte, da er 1985 in „Biographie des 20. Jahrhunderts“ (dt. 1986, 1988) ausführliche Kritik an der fundamentalistischen Interpretation des Koran übte und weil er in seinem Buch über das arabische Andalusien, „L'Islam en Occident“ (1987), nicht nur den Fanatismus der Reconquista verurteilte, sondern auch die Versteinerung des Islam für die Zerstörung einer spirituellen Ökumene der drei Monotheismen verantwortlich machte, die Andalusien zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert geprägt habe und die in dem von Garaudy im Februar 1987 mit Unesco-Hilfe in Córdoba eröffneten Museum (Torre de la Calahorra) idealisiert wird. Die andere Utopie der Ökumene liegt für ihn natürlich am anderen Ende des Mittelmeers, im Heiligen Land der drei abrahamischen Religionen („Palestine – terre des messages divins“, 1986). Das israelisch-palästinensische Abkommen stellt für Garaudy einen historischen Verrat dar, und wahrscheinlich vollzog er damals den letzten Schritt vom Antizionismus zum Antisemitismus. Dabei hatte er noch in „Der Fall Israel“ „eine echte Verhandlung mit der PLO“ gefordert, damit sich Israel „eingliedert in ein Bündnis des Nahen Ostens, in welchem ohne jegliche ethnische Diskriminierung Araber und Juden brüderlich miteinander leben sollen“.

Garaudy ist Nachzügler einer in Frankreich durchaus etablierten linksradikalen „antiimperialistischen“ Variante des Negationismus. Allerdings stellt Jürg Altwegg die Verhältnisse auf den Kopf, wenn er die Negationisten von rechts in Frankreich als „relativ harmlos, dumm, wenig zahlreich“ bezeichnet (FAZ, 27.2. 1998), um anhand des Falles Garaudy die „Auschwitz-Lüge“ als genuin „linkes“ Projekt darzustellen. Garaudy beruft sich in seinem Buch auf die gesamte Crème der französischen und internationalen Neonazis, die dadurch nicht zu „Linken“ werden, daß Garaudy sie zitiert.

Garaudy hat stets Politik aus religiöser Überzeugung betrieben, seit er mit 20 Jahren im Marxismus die historische Verwirklichung der christlichen Utopie zu erkennen glaubte. Erst wurde die Partei Ersatz für die Religion, dann die Religion Ersatz für die Partei. Doch nicht als solche, sondern in ihrer Verknüpfung führen die drei Faktoren Philosophie, Politik, Religion in die Katastrophe, nicht nur bei Garaudy. Wolfgang Geiger