Neue Sachlichkeit

■ Die Bündnisgrünen müssen auch nach Magdeburg auf ihrem Kurs bleiben

Immer wieder versuchen die Regierungsparteien, Gerhard Schröder wegen seiner prononcierten Distanz zu verbindlichen Aussagen anzugreifen. Dabei ist gerade dies sein Kapital. Solange er für nichts steht, kann er zwei scheinbar unvereinbare Wünsche der Bevölkerung gleichzeitig erfüllen: das Bedürfnis nach Wandel und die Sehnsucht nach Beständigkeit. Alles bleibt unverändert, wird aber noch besser. Mit diesem Konzept ist der Mann nicht zu schlagen. Jedenfalls nicht von Kohl.

Wo inhaltlich gähnende Leere herrscht, muß die Auseinandersetzung zwangsläufig auf eine verdeckte Kanzlerwahl hinauslaufen. Führende Bündnisgrüne hatten sich Schröder als Kandidaten gewünscht. Sie glaubten, sich von ihm mit eigenen Positionen besser absetzen zu können als von Oskar Lafontaine, und fürchteten, mit letzterem werde es am Ende auf eine Große Koalition hinauslaufen. Spätestens seit dem Presseecho auf den Magdeburger Parteitag dürfte ihnen dämmern, daß es Wünsche gibt, die besser unerfüllt bleiben.

Derzeit ersetzt politische Symbolik den politischen Streit. Die Polemik im Zusammenhang mit der Forderung der Grünen nach einer Erhöhung des Benzinpreises auf fünf Mark pro Liter ist ein Beispiel. Da die Marke erst in zehn Jahren erreicht werden soll, ist das Ziel nicht etwa radikal, sondern entspricht in etwa den Vorstellungen von Fachleuten auch anderer Parteien.

Das nützt den Bündnisgrünen aber nichts. Bei der Forderung stand die Hoffnung Pate, grünes Profil durch eine plakative Forderung zu gewinnen. Jetzt schlägt genau dieser Populismus auf die Grünen zurück und entfremdet ihnen Teile der Bevölkerung, die nicht zur Stammwählerschaft gehören, aber möglicherweise bereit wären, ihnen dieses Mal ihre Stimme zu geben.

Ein auf Personen zugespitzter Wahlkampf ist für kleine Parteien immer besonders schwer. Die Grünen können dieser Gefahr nur begegnen, wenn sie konsequent eigene Ansätze betonen – bei Steuer, Rente und Arbeitsmarkt. Mit plakativen Forderungen oder auch dem Versuch, Joschka Fischer als eigenen Spitzenkandidaten aufzubauen, ließen sich die Grünen auf das Spiel der Großen ein. Damit können sie nur verlieren. Wer sich in diesem Wahlkampf als Garant für eine neue Politik präsentieren will, muß auf Sachlichkeit setzen. Das wäre nämlich derzeit eine echte Alternative. Bettina Gaus