Ein „Monster“, aber trotzdem ein Zuhause

■ In die Luft sprengen? Bewohner des „Neuen Kreuzberger Zentrums“ und des Schöneberger „Sozialpalasts“ sind verschiedener Meinung

„Landowsky – ist das ein Faschist?“ Cixerxun Bekes muß sich konzentrieren, die richtigen Worte zu finden. „Er muß sehr mutig sein, wenn er unser Haus sprengen möchte.“ Um ihn herum sitzen ungefähr dreißig Männer, einige spielen Billard, andere verfolgen ein kurdisches Fernsehprogramm. „Ach, er ist Politiker! Wir dachten, das wäre ein Attentäter.“ Lachend entschuldigt er sich für das Mißverständnis.

Seine Freunde und er treffen sich regelmäßig in einem kurdischen Verein. Der Bezirk stellt ihnen die Räumlichkeiten im „Neuen Kreuzberger Zentrum" kostenlos zur Verfügung. Der Vorschlag des CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus-Rüdiger Landowsky stößt auf Unglauben. „Und er will wirklich unser Haus sprengen? Nun, dann müssen wir wohl umziehen...“ Besorgt wirkt er nicht, nur überrascht.

Ahmed Nargül besitzt das „Stadtteilcafé“ nebenan. In wenigen Wochen wird er eine der Sozialwohnungen über der Adalbertstraße beziehen. „Wir sind unpolitisch. Hier gibt es keine Kurden und keine Türken, nur Menschen.“ An den mit karierten Deckchen dekorierten Tischen sollen sie sich treffen. Arbeiter, Arbeitslose und auch Studenten. „Ob es mir hier gefällt? Was für eine Frage! Das hier ist meine Arbeit, mein Geld.“ Von dem kleinen Café lebt eine fünfköpfige Familie.

„Die Zeitung schreibt, daß die Leute hier kriminell sind. Ich schätze aber, daß die Politiker die Ausländer weghaben wollen“, glaubt sein Freund Cevat Gülseven. Der Bauelektriker hat gerade Urlaub. Er runzelt die Stirn. „Hier wohnen viele Freunde von mir, manche schon seit zwanzig Jahren. Und je länger man hier ist, desto besser gefällt‘s einem.“

Willi Rosenow lehnt an einem Geländer, die Sonne scheint in das Gesicht des Rentners. Als er 1974 einzog, standen die anderen Bauten rund um den „Kotti“ noch im Rohbau. Die Diskussion um den Abriß sieht er gelassen. „Schon vor fünfzehn Jahren wollten die das Haus abreißen! Wir hatten damals sogar schon eine neue Wohnung zugewiesen bekommen.“ Doch daraus wurde nichts. „Im Mieterbeirat hatten wir dem Bausenator arg zugesetzt, und die Leute haben wohl eingesehen, daß das nicht viel bringt.“ – „Sollen die nur machen, mir ist das egal“, schaltet sich Nachbarin Valie Klettke ein. „Seitdem ich hier wohne, regnet es bei mir ins Zimmer hinein. Und dann noch die vielen Ausländer und die Junkies...“ Sogar in den Treppenhäusern hätten die Spritzen gelegen, stimmt Rosenow zu. Valie Klettke nimmt sich etwas zurück: „Aber Stunk hatte ich mit niemandem. Wenn mir etwas nicht paßt, sage ich das. Bis jetzt kam ich mit jedem aus.“

Eva-Maria Scharlippe wohnt ebenfalls von Anfang an im „Neuen Kreuzberger Zentrum“. „Ich finde Landowskys Forderung einfach unmöglich. Natürlich ist dieses Haus vollkommen verkorkst. Es ist ein Monster, verschachtelt und unübersichtlich.“ Trotzdem möchte die SPD-Bezirksverordnete nicht ausziehen: „Ich habe meinen Kiez lieben gelernt, und die Wohnungen sind traumhaft.“

Die Bewohner des Schöneberger „Sozialpalastes“ an der Pallasstraße haben dagegen keine guten Worte für ihr Haus übrig. Karin Lindenau wohnt seit acht Jahren mit ihren zwei Söhnen dort. „Als Sozialhilfeempfängerin mußte ich hier einziehen, und es ist furchtbar. Alles ist dreckig, und im Treppenhaus habe ich Angst.“

Auch Roland Schulz hat seine Wohnung im „Sozialpalast“ zugewiesen bekommen. Er findet Landowskys Idee gut, „denn das ist nun einmal ein Ghetto, mit Prügeleien, Schießereien und Dreck. Bombe rein und weg!“

Khalil Ayad zog vor einigen Monaten zu seiner Freundin im „Palast“, jedoch auch sie wollen ausziehen. „Für unsere Kinder ist das nicht gut, hier gibt es zu viele kaputte Jugendliche auf einen Haufen.“ Das Haus sei „totale Scheiße, am besten, es wäre weg.“ Christian Domnitz