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Den Zerfall lachbar machen

■ „Was man im Kabarett-Supermarkt nicht bekommt“: Das 12. Kabarett-Festival auf Kampnagel verkauft Politik ohne das sozialdemokratische Besteck

Der Kabarett-Boom ist abgeflaut. Ulrich Waller, der das Satire-Hoch mit seinem Festival auf Kampnagel mit aufbaute, vielen Künstlern und dem Kabarett insgesamt in Hamburg den Boden bereitete, versucht der Flaute jetzt mit der Strategie des Besonderen beizukommen: Der Festival-Leiter bringt beim 12. Kabarett-Festival neben wenigen Stars viele neue Namen.

taz hamburg: Fährt Ulrich Waller jetzt den Risiko-Kurs?

Ulrich Waller: Das Festival hat nur Zukunft, wenn wir Spezialitäten bieten. Riskanteres, was man im Kabarett-Supermarkt nicht bekommt. Gleichzeitig müssen bekannte Namen die unbekannteren mitziehen. Wie Sigi Zimmerschied mit der Eröffnung Danemlem: Formal ist das der radikalste Abend. Die Trennung von Bühne und Publikum ist aufgehoben. Zimmerschied geht mit Live-Video unter die Zuschauer. Er macht aber kein Mitspiel-Kabarett.

Was hat sich in den vergangenen Jahren im Kabarett getan?

Das politische Weltbild, die Feindbilder stimmen nicht mehr. Es ist für die Kabarettisten schwieriger geworden, die Undurchsichtigkeit und Destruktion der sozialen und politischen Strukturen zu reflektieren. Es bleibt ihnen nur übrig: den politischen Wandel und sozialen Zerfall kritisch zu begleiten und zu versuchen, lachbar zu machen. Man kann dafür nicht wieder das alte sozialdemokratische Besteck hervorholen. Wenn es gelingt, in den privaten Strukturen die politischen zu spiegeln, dann überwindet und übertrifft Kabarett die Klischees und abgegriffenen Parodien der Politiker.

Was sind ästhetisch die Folgen?

Früher genügte es schon, die Zeitung zu lesen, sich hinzustellen, drei gute Witze zu erzählen und vielleicht drei Musiker dabeizuhaben. Heute gibt es ein breiteres Spektrum kabarettistischer Erzählformen und auch kompliziertere theatralische Versuche. Fo ist der Ahnherr dieses theatraleren Kabaretts. Ende der Siebziger war er die Entdeckung: Er parodierte nicht nur ein paar Typen, er spielte solistisch einen ganzen Kosmos von Figuren.

Macht Comedy dem Kabarett Konkurrenz?

Wir machen im Programm eine ganz klare Trennung. Ohne werten zu wollen: Hans-Werner Olm ist im St. Pauli-Theater besser aufgehoben. Comedy zielt auf möglichst platte Wiedererkennung durch möglichst platte Überhöhung. Im Fernsehen muß ganz schnell klar werden, wen oder welche Sendung man verarschen will. Notwendigerweise verwahrlost die Schauspielkunst. Persönlichkeit und Haltung sind nicht gefragt.

Also keine Chance für den Nachwuchs?

Im Gegenteil. Diesmal haben wir sogar zwei Abende: einen für die lokale und einen für die überregionale Szene. Django Asül, der im Vorjahr schon dabei war, bekommt diesmal seinen eigenen Abend.

Fragen: Thomas Rössel

Eröffnung mit Sigi Zimmerschied: Mi, 18. März, 20.30Uhr, Kampnagel

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