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Borttscheller läßt Datenschutz abblitzen

■ Innenressort will keine Konsequenzen aus der Verletzung von Persönlichkeitsrechten im „Fall Stradivari“ziehen / Datenschutz-Ausschuß läßt nicht locker und vertagt das Thema auf den Mai

Darf ein Fernsehteam im Obduktionssaal blutige Leichenteile einer namentlich genannten Frau zeigen? Darf ein Kamerateam bei einer Hausdurchsuchung filmen, wenn der Betroffene in U-Haft sitzt? Darf ein Kamerateam auf dem Flur des Polizeihauses per Mikrofon an einer Tür lauschen, hinter der ein Mann wegen Mordverdachtes verhört wird?

Natürlich nicht, sagte gestern der Vertreter des Justizressorts, Rudolf Sauerwald, vor dem Datenschutz-Ausschuß. Dennoch tun sich die Bremer Behörden schwer, Konsequenzen aus der Tatsache zu ziehen, daß all dies mit Zustimmung der Bremer Polizei für den Fernsehfilm über den „Fall Stradivari“passiert ist.

Aber die Polizei und der Innensenator wollen überhaupt nichts regeln. „Wie können wir verhindern, daß so etwas noch einmal passiert?“fragte verzweifelt die CDU-Abgeordnete Brigitte Dreyer in der Sitzung des Datenschutz-Ausschusses. „Ist da eigentlich irgend jemand verantwortlich für das, was passiert ist?“fragte der grüne Datenschützer Arendt Hindriksen.

Das Hamburger Landgericht hatte im vergangenen Juni die erneute Ausstrahlung der Passagen des Filmes untersagt, in denen die Hausdurchsuchung gezeigt wurde – aus Gründen des „Persönlichkeits schutzes“. Das Verlesen von Informationen aus dem Polizeicomputer vor laufender Kamera wurde nur deswegen nicht vom Gericht gerügt, weil der Anwalt des Betroffenen, Wilfried Behrend, die Rechte seines Mandanten nicht geltend gemacht hat.

Seit Monaten versucht der Datenschutz-Ausschuß, die betroffenen Behörden zu verbindlichen Regeln zu veranlassen. Im Justiz-Bereich ist der betroffene Staatsanwalt daran erinnert worden, daß Fernsehkameras im Obduktionsraum nichts zu suchen haben. Auch Vorverurteilungen, wie sie durch Kripo-Beamte geschehen sind, dürfen nach der Verfügung des Justizsenatos nicht passieren.

Vollkommen stur zeigt sich das Innenressort. „Die Beachtung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte der betroffenen ... obliegt grundsätzlich den Medien selbst“, hat das Innenressort den Datenschutz-Ausschuß im Oktober 1997 abblitzen lassen. Dagegen beruft sich der Buten&Binnen-Journalist natürlich darauf, daß er von der Kripo in die aufgebrochene Wohnung, ins Polizeipräsidium und in die Obduk- tionskammer mitgenommen wurde, also praktisch eine „Genehmigung“der Kripo hatte. Dazu aber schweigt das Innenressort und sieht „keine Notwendigkeit für den Erlaß neuer Regelungen“.

Der Datenschutzbeauftragte hat daher den Innensenator daran erinnert, daß die Kripo schon einmal Fernsehleute von SAT 1 auf Drogenhändler-Jagd u.a. in fremde Wohnungen mitgenommen hatte. Damals hatte der liberale Innensenator Friedrich van Nispen Konsequenzen gezogen und schriftlich klargestellt, daß „Reality-TV ... nicht im Interesse der Öffentlichkeitsarbeit meines Hauses“liege und entsprechende Bitten in Zukunft „grundsätzlich abzulehnen“seien – „in Zweifelsfragen ist die Entscheidung mit mir abzustimmen“. Diese Konsequenz war aber 1993 in der Schublade verschwunden.

Über den neuen „Fall Stradivari“, in dem alle Tatsachen auf dem Tisch liegen, brüten Staatsanwaltschaft und Polizei-Innenrevision nunmehr seit mehr als einem halben Jahr ohne Konsequenzen. Der Datenschutz-Ausschuß will aber nicht aufgeben und hat Vertreter der Innenbehörde und des Justizsenators für den 7. Mai zur nächsten Sitzung eingeladen. K.W.

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