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Komödienmaschine

■ Das Berliner Männerensemble spielt „Krach in Chiozza“ von Carlo Goldoni

„Es geht um den Versuch, zur Geschlechterverwirrung anzustiften.“ Das Berliner Männerensemble nimmt Judith Butlers Aufruf zur Subversion beim Wort. Nach ihrer gefeierten „Romeo und Julia“-Produktion bleiben auch in ihrer nunmehr zweiten Inszenierung auf der Bühne die Männer ganz unter sich. 13 sind es an der Zahl, 5 von ihnen übernehmen Frauenrollen. Mit Fummelshow allerdings hat dies nichts zu tun.

Anders als etwa derzeit am Renaissance-Theater, wo man bei Oscar Wildes „Bunbury“ mit Reifrock, Puderquaste und Perücke aus Herren komische Damen macht, hat Heide Schiffer-El Fouly für das Ensemble eine ästhetisch wie inhaltlich überzeugende Lösung gefunden: Strickwesten und lange Röcke, welche die männlichen Körper eher zu betonen denn zu verhüllen scheinen, allesamt in Erdfarben. Nicht ein Hauch von schwüler Travestie oder billigem Tuntenklamauk. Der Spaß, den dieses überaus spielfreudige Ensemble mit wahnwitzigem Tempo den Zuschauern bereitet, beruht einzig auf der perfekt rotierenden Komödienmaschinerie.

Fünf Frauen sitzen und klöppeln vor sich hin, warten auf die Rückkehr ihrer Männer, Brüder, Verlobten: Fischer auf allzuoft tödlicher Fangfahrt. Ein Habenichts spendiert ihnen geröstete Kürbisschnitten. Nichts Aufregendes eigentlich, alles im grünen Bereich. Doch weil Männer ein seltenes Gut im Dorfe sind, müssen die Mädchen die Ehegatten in spe hart umkämpfen. Und weil die Damen bei Goldoni gerne klatschen, tratschen und große Schandmäuler haben („Wenn wir Weiber nicht reden können, müssen wir platzen“), wird aus einer nett gemeinten Schnitte ein angeblich heftiger Flirt. Ehen stehen auf dem Spiel, und ein Durcheinander ist angezettelt, wie wir es schon vom „Diener zweier Herren“ kennen.

Jan Oberndorff hält sein Ensemble straff am Zügel. Kaum einer hat die Chance, sich nach vorn zu spielen. Will heißen: Hier gibt es wirklich nur Hauptrollen zu sehen. Von der Commedia dell'arte nimmt er die lautstarke Lust am Spiel. Doch so sehr die turbulente Stückvorlage sicherlich zu Slapstick und Albereien verleitet, vermeidet Oberndorff dabei die ungestüme Übertreibung. Jede Figur besitzt ihr festumgrenztes Gestenmaterial, das sie zugleich liebevoll charakterisiert. Den titelgebenden Krach bringt das sich streitende Fischervolk in seinem Gezänk ziemlich eindrucksvoll zustande. Und nicht weniger starken Lärm bekam das Publikum beim Applaus zustande.

Mit seiner neuen Produktion hat das Berliner Männerensemble zweierlei bewiesen: daß sein letztjähriger Überraschungserfolg keine Eintagsfliege war und leicht vorstellbar ist, daß auch dieser höchst vergnügliche Beziehungsstreit ebenfalls wochenlang ausverkauft sein wird. Und: daß Butlers Anstiftung tatsächlich funktioniert. Die Frage der Geschlechter ist nach kaum fünfzehn Spielminuten schon keine mehr. Axel Schock

Bis 13. April, Do.–Mo., 20.30 Uhr, im Theater Zerbrochene Fenster, Schwiebusser Straße 16

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