: Polizei soll Sprayer erziehen
Wenn es nach Justizsenator Körting geht, soll die Polizei bei Kleinstdelikten von Jugendlichen erzieherische Maßnahmen verhängen. Vorschlag rechtlich umstritten ■ Von Plutonia Plarre
Nach seinem Vorstoß für die Wiedereinrichtung von geschlossenen Heimen sorgt Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) mit einem neuen Vorschlag für Aufregung: Polizisten sollen Jugendliche bei Kleinstdelikten bestrafen können. Das Vorhaben stieß auf zwiespältige Reaktionen. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Norbert Schellberg, sprach von einer „absurden Idee“. Der Gedanke, die Polizei als Strafinstanz einzusetzen, „konterkariert die Gewaltenteilung“. Ein Moabiter Jugendrichter sprach dagegen von einem „sehr sinnvollen“ Vorhaben.
Das gestern in der Berliner Zeitung veröffentlichte Konzept des Justizsenators sieht eine „Entformalisierung“ der Verfahren gegen Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren bei Kleinstdelikten wie Sachbeschädigung durch Graffiti, Schwarzfahren und Ladendiebstahl vor.
Nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) kann ein Staatsanwalt ein Verfahren einstellen, wenn gegen den Täter eine „erzieherische Maßnahme“ verhängt worden ist. Erzieherische Maßnahmen können Reinigungsarbeiten in Krankenhäusern oder Grünanlagen ebenso sein wie Taschengeldentzug durch die Eltern oder das Streichen einer geplanten Urlaubsreise.
Körtings Vorschlag: Die Polizei soll künftig vor Ort erzieherisch tätig werden. Sein Beispiel: Ein Kontaktbereichsbeamter fordert einen beim Sprühen von Graffiti erwischten Jugendlichen auf, die Farbschmierereien bis zum Nachmittag zu entfernen. Wenn sich der Beamte von der Reinigung überzeugt hat, wird das Verfahren eingestellt.
Die beste Strafe sei die, die auf dem Fuße folge, sagte Körting mit Hinweis auf die lange Dauer der Verfahren. Derzeit vergingen zwischen Delikt und Urteil beziehungsweise Verfahrenseinstellung durchschnittlich fünf Monate. Die Justizverwaltung prüft zur Zeit, ob ein solches Vorgehen der Polizei ohne Einschaltung eines Richters vom JGG gedeckt ist oder ob es einer Gesetzesänderung per Bundesratsinitiative bedarf.
Nicht nur die Grünen halten das Vorhaben für rechtlich äußerst problematisch. „Die Trennung zwischen Polizei und Justiz wird verwischt“, so Andrea Bartl, Jugendrichterin in Moabit. „Man sollte die langen Verfahren verkürzen, aber die Verhängung von Strafen ist Sache der Justiz.“ Ihr Kollege, der Jugendrichter Hans- Joachim Baars, findet Körtings Vorschlag dagegen „durchaus erwägenswert“ und rechtlich unproblematisch. Die Polizei bekomme dadurch keine Sanktionsgewalt, sondern nehme lediglich erzieherische Aufgaben wahr. Das sei vom JGG gedeckt. Die Jugendrichter würden entlastet und könnten sich intensiver mit den jugendlichen Mehrfachtätern befassen.
Die Polizeipressestelle lehnte eine Stellungnahme rundweg ab. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lobte Körtings Vorstoß als „richtigen Ansatz“, der aber „leider nicht“ mit dem Rechtssystem kompatibel sei. Ein weiterer Haken sei, daß immer weniger Polizisten immer mehr machen sollten. „Das läuft nicht“, versicherte GdP- Sprecher Klaus Eisenreich. Tiergartens Jugendstadträtin Elisa Rodé (Bündnis 90/Die Grünen) dagegen glaubt, Bagatelldelikte ließen sich auch einfacher bekämpfen. Gegen Schwarzfahren beispielsweise helfe eine drastische Fahrpreissenkung.
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