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Globale Verkleidungsnummer

Als Fred Zinnemann 1973 „Der Schakal“ drehte, waren die Attentate auf Charles de Gaulle der realistische Hintergrund. In Michael Caton-Jones' Remake sind die Bezüge dagegen ziemlich an den Haaren herbeigeholt. Dafür darf sich Bruce Willis ständig umziehen  ■ Von Harald Fricke

Bruce Willis hat nur noch wenige Haare auf dem Kopf. Vielleicht liegt es an den diversen Blondierungen der letzten Zeit: Für „Das fünfte Element“ sah er wie ein Techno-Punk aus. Der erste Bruce Willis, der einem nun im „Schakal“ begegnet, trägt einen braunen Seitenscheitel passend zum maßgeschneiderten Anzug. Ihm gegenüber sitzt ein russischer Mafioso namens Terek Murad, der möchte, daß Willis einen prominenten Amerikaner umbringt. Damit will Terek Rache nehmen, weil eine FBI-Spezialeinheit seinen Bruder bei einem Einsatz in Moskau getötet hat. Willis lächelt spitzlippig und zischt mit leiser Stimme „70 Millionen Dollar“.

Man ahnt, daß es sich bei einem solchen Kopfgeld nicht um den FBI-Chef handeln kann. Schließlich ist „Der Schakal“ ein Remake des gleichnamigen Fred-Zinnemann-Films von 1973, wo ein britischer Auftragskiller auf Charles de Gaulle angesetzt wurde. Der Erfolg des Originals – Zinnemann wurde für einen Golden Globe nominiert – beruhte auch auf der Realitätsnähe der dargestellten Verstrickung. Tatsächlich hatte es mehrere Attentate auf den französischen Präsidenten gegeben.

Die aktuelle Version, bei der Michael Caton-Jones („Scandal“, „Rob Roy“) Regie geführt hat, wirkt daneben ziemlich überzogen: Zwei Stunden muß man Willis dabei zuschauen, wie er mit einer 100 Kilo schweren jugoslawischen Mega-Kanone, die er über Internet bestellt hat, durch die Lande reist. In Kanada läßt er sich von einem Waffen-Freak eine mobile Halterung für sein mächtiges Kriegsgerät schweißen, danach durchlöchert er den jungen Mann; später geht es per Segelboot über den Michigansee nach Chicago und von dort gen Washington. Mittlerweile sind dutzendweise Spezialagenten unter der Führung des grantigen Deputy Carter Preston (Sidney Poitier) hinter ihm her, sogar ein irischer Exterrorist (Richard Gere) wurde als Fährtenhund angeheuert.

Willis, der als „Schakal“ endlich einmal den Bad guy mimen darf, scheint von dem ganzen Unternehmen kaum etwas zu bemerken. Meistens wechselt er einfach nur die Kleider, füttert sich mit Speck um die Hüften aus oder flirtet sich in Homo-Bars an Bundesbeamten heran. Das alles wirkt sehr verdächtig, zumal ja auch ständig die Leute sterben, denen der Killer auf seiner Fahrt begegnet. Jedenfalls wird man im Publikum allmählich unruhig: Je zähfließender sich das Komplott entwickelt, um so seltsamer erscheint einem das Drehbuch. Damit man versteht, warum sich der IRA-Mann überhaupt auf die Rettungsaktion einläßt, muß noch eine abstruse Liebesgeschichte eingefädelt werden, aus der hervorgeht, daß eine ETA- Terroristin (Mathilda May) früher sehr in Richard Gere verliebt war. Sie muß nun wiederum von FBI- Spitzenkräften beschützt aus ihrem Haus fliehen, damit Willis sie nicht in die Luft sprengt. Als es dort trotzdem zum Massaker an drei Agenten kommt, steht sie schon wenige Minuten später am Tatort und rollt bestürzt mit ihren Kulleraugen, um gleich wieder an Gere herumzufingern, weil Baskinnen sich nur einmal verlieben, aber dann für immer.

Vielleicht war auch nur Chuck Pfarrer als Drehbuchautor mit dem globalen Verschwörungswirrwarr schlicht überfordert: Andauernd mischt die russische Geheimpolizei selbst in den Staaten mit, beim finalen Countdown steigt Sidney Poitier aus einem Helicopter – und man sieht blütenweiße Männerbeine. Dabei hatte das Filmteam immerhin vier Monate Drehzeit und ein Budget von 60 Millionen Dollar. Das Geld war dennoch nach drei Monaten wieder eingespielt, wahrscheinlich wegen der hübsch grotesken Verkleidungsnummern von Bruce Willis. Die hätte man auch bei „Mary“ oder irgendeiner anderen Ku'damm-Travestie-Show haben können, meinte ein enttäuschter Kollege. Allerdings ist Willis dafür viel zu unschwul.

„Der Schakal“. Regie: Michael Caton-Jones. Mit Bruce Willis, Richard Gere, Sidney Poitier, Mathilda May. USA 1997, 124 Min.

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