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Grüne Sä-Fraktion* setzt 40 Millionen Signale

■ Die „Drogenpolitische Guerilla“ wirft tonnenweise Hanfsamen unters Volk. Auch Bundestagsabgeordnete gingen nicht leer aus. Im Frühjahr sollen die Hanfpflanzen sprießen

taz: Im Zuge des Hanfsamenverbots trat die „Drogenpolitische Guerilla“ auf den Plan. Wie ist diese Vereinigung entstanden?

Helmut Schröder*: Im Spätsommer 1997 hat sich schon abgezeichnet, daß das Verbot kommen wird. Leute, die sich mit dieser Kriminalisierungspolitik nicht abfinden wollen, haben schon damals überlegt, wie man sich dagegen wehren kann. Eine Aktionsgruppe hat sich aber erst gegen Ende des Jahres herausgebildet.

Warum habt ihr gerade den Bundestagsabgeordneten die Samen zugeschickt?

Das sind die Leute, die diese Politik machen, wir wollten ihnen mit unserem Brief, dem Samen beigelegt waren, vor Augen führen, daß Cannabis nicht das Teufelszeug ist, zu dem es durch die Gesetzgebung abgestempelt wird.

Und prompt wurden die Abgeordneten wegen illegalen Hanfsamenbesitzes angezeigt.

Damit hatten wir nichts zu tun. Aber gefreut hat uns das schon. Dadurch wurde den Politikern verdeutlicht, welche Konsequenzen ihre restriktive Politik für unbescholtene Bürger haben kann.

Was erhofft ihr euch von dieser Aktion, Bekehrung und Einsicht der Gesetzgeber?

Ein Denkanstoß kann jedenfalls nicht schaden. Auch wenn sich die Wirkung der Aktion bei den Adressaten vermutlich in Grenzen halten wird. Die zum Teil sehr heftigen Reaktionen der Abgeordneten sind uns ebenfalls recht. Hauptsache, das Thema wird öffentlich gemacht. Neben passionierten Homegrowern und Headshop-Betreibern befasen sich nun auch die Medien und somit viele Leute mit der Anti-Hanf-Politik.

Zur Zeit verteilt ihr eine Tonne Hanfsamen in der ganzen Bundesrepublik. Wie habt ihr euch das Zeug beschafft, und wie bringt ihr es unter die Leute?

Die Tonne, also rund 40 Millionen Samen, haben wir von Sponsoren erhalten. Die haben sich das eine fünfstellige Summe kosten lassen. Die Samen wurden unter anderem auf Konzerten und an Infoständen verschenkt. Über die Verteilerstruktur werde ich mich jetzt aber nicht näher auslassen. Natürlich läuft da einiges über Hanfaktivisten. Wer Samen von uns haben möchte, sollte auch ein Konzept vorlegen, was damit passieren soll. Leute, die eine Handvoll Körner haben wollen, sind nicht unsere Zielgruppe. Wir möchten 10- bis 20-Kilo-Säcke abgeben, mit denen dann entsprechend wirksame Aussaataktionen gestartet werden sollen. Ziel der ganzen Sache ist es, daß in ganz Deutschland wieder Cannabis blüht. Dabei soll geklotzt und nicht gekleckert werden. Eine zweite Tonne wird folgen. Die könnte zum Beispiel auf Frühjahrsspaziergängen ausgesät werden.

Wer tonnenweise Hanfsamen unters Volk wirft, muß mit juristischen Konsequenzen rechnen.

Wir dealen ja nicht im klassischen Sinne mit dem Zeug. Uns geht es ausschließlich darum, ein Signal gegen die verfehlte Drogenpolitik in diesem Land zu setzen. Im Vorfeld haben wir uns bei einigen Anwälten erkundigt, was uns blühen kann. Denn eins ist klar: Wenn man uns drankriegen will, wird das auch früher oder später passieren. Aber der Prozeß, der dann folgen würde, wäre auf jeden Fall ein politischer. Und wie der ausgehen würde, ist völlig offen.

Wie geht es weiter?

Weitere Aktionen sind nicht geplant. Wir wollten ein einmaliges Signal setzen, Politik einer anderen Art betreiben. Spaßguerilla- Aktionen lassen sich nicht institutionalisieren. Die große Hanfsaat soll die Initialzündung sein, und hoffentlich entwickelt sich daraus eine breite Bewegung, die zum Selbstläufer wird. Interview: Lars Klaaßen

* Name geändert

Kontakt: www.hanfnet.de/guerilla

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