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Im Gefängnis ist kein Geschäft zu machen

■ Trotz der niedrigen Löhne ist Knastarbeit nicht profitabel, denn Strafgefangene sind unproduktiv. Unternehmen lassen deshalb lieber im Ostblock arbeiten oder setzen Maschinen ein

ArbeitnehmerInnen für eine Mark pro Stunde – welcher Arbeitgeber träumt nicht von solchen Bedingungen? Tatsächlich verleitet der Blick auf reine Lohnkosten leicht zu Fehlschlüssen. Die Produktivität der Strafgefangenen ist nämlich ziemlich gering. Sie liegt bei nur etwa 15 bis 20 Prozent der Leistungskraft von ArbeitnehmerInnen in der freien Wirtschaft, so der Volkswirt Axel Neu gestern vor dem Verfassungsgericht.

Die Gründe liegen auf der Hand: StraftäterInnen haben meist eine schlechte oder gar keine Ausbildung. Auch sind sie wenig motiviert, wobei natürlich auch die miserable Entlohnung eine Rolle spielt. Die technische Ausstattung der Arbeitsstätten ist oft veraltet, die Arbeitsorganisation vollzugsbedingt schwierig. Ständig wechselt die Belegschaft der Betriebe, eingearbeitete Gefangene kommen in Freiheit, Neuankömmlingen müssen angelernt werden. Unter diesen Bedingungen sind Produktivitätssteigerungen nur bedingt möglich.

Nur etwa ein Zehntel der Gefangenen arbeitet als „FreigängerInnen“ in „freien Beschäftigungsverhältnissen“ außerhalb des Knastes. Nur hier werden normale Löhne gezahlt, von denen die Anstalt allerdings rund 570 Mark Haftkostenbeteiligung abzieht. Diese Arbeit dürfte sich für die Unternehmen lohnen, da sie die Arbeitsverträge frei vereinbaren können.

Zu den üblichen Hungerlöhnen von rund einer Mark pro Stunde arbeiten etwa 60 Prozent der Gefangenen. Dabei gibt es verschiedene Arbeitstypen. Die sogenannten Unternehmensbetriebe lassen im Knast produzieren. Meist geht es dabei um einfache Industriearbeiten: Eintüten, Falten, Aussortieren. Das Unternehmen zahlt der Anstalt den „nackten Tariflohn“ ohne Lohnnebenkosten wie Sozialversicherungsbeiträge. Wegen der geringen Produktivität der Gefangenen wird dieser Tariflohn noch mal um rund 20 Prozent reduziert, so daß je nach Arbeit etwa 8 bis 13 Mark pro Stunde an die Anstalt überwiesen werden.

Solche Arbeitsplätze verlieren aber immer mehr an Bedeutung. Einfache Industriearbeiten werden heute oft in den Ostblock ausgelagert oder von Robotern ausgeführt. Deshalb steigt inzwischen auch die Arbeitslosigkeit im Knast. Um so wichtiger werden die Eigenbetriebe der Gefängnisse: Tischlereien, Druckereien, Schneidereien, die für den Staat, aber auch für den freien Markt produzieren. Bei Buchbindearbeiten sind die Knastbetriebe sogar zu einer lästigen Konkurrenz der freien Wirtschaft geworden. Weitere Gefangene verrichten Hausarbeiten in Küche oder Wäscherei. Auch sie erhalten nur rund eine Mark pro Stunde.

Unter dem Strich verdienen also die Unternehmen wenig und der Staat gar nichts an seinen Strafgefangenen. Im Gegenteil: Nur vier Prozent der Gesamtkosten des Strafvollzugs werden durch die Erträge der Strafgefangenen gedeckt. 1966 lag der Kostendeckungsgrad noch bei 24 Prozent. Seither ist aber der Betreuungsaufwand in den Gefängnissen stark gestiegen. Mit dazu gehören die Kosten, die die Anstalten aufwenden, damit die Gefangenen überhaupt arbeiten können. Die Einrichtung von Werkstätten und die Beschäftigung von Anleitungspersonal verschlingt fast soviel Geld, wie die Sträflinge erwirtschaften.

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