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Chronique scandaleuse

■ Elbtunnel: Konflikte, Klagen, Katastrophen

Der Bau der vierten Röhre ist eines der umstrittensten Verkehrsprojekte Hamburgs: Weil der alte Tunnel – für 60.000 Fahrzeuge konzipiert – mit täglich 103.000 Autos überlastet ist, sei die Röhre nötig, so die Baubehörde. Die Argumente der Gegner sind seit 20 Jahren unverändert: Eine neue Röhre zieht mehr Verkehr an, ist umweltunverträglich (Abgas und Lärm), zu teuer (Kritiker schätzen 1,6 bis 1,8 Milliarden Mark, was selbst dem Bundesrechnungshof Sorge bereitet) und verhindert den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel. Umweltverträglichkeitsprüfungen seien nicht vorschriftsgemäß durchgeführt, Alternativen unzureichend geprüft worden.

Die Chronik der Konflikte, Klagen und Katastrophen:

10. Januar 1975: Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) weiht den bis dahin längsten Unterwassertunnel Europas (3,325 Kilometer) in seiner Heimatstadt ein, schon einen Tag später grüßt der erste Stau, der zum Symbol des Elbtunnels werden soll.

Mai 1980: Die Hamburger Behörden klopfen sich auf die Schulter: Fünf Jahre Tunnel haben dazu beigetragen, daß der zuvor rückläufige „elbüberschreitende Autoverkehr“ stark angestiegen ist. Der Anteil des Fernverkehrs liegt bei 19 Prozent.

Dezember 1981: Die Baubehörde bringt die vierte Röhre ins Gespräch.

23. März 1982: Der Senat fordert die Röhre, um Staus zu vermeiden.

18. April 1984: Bausenator Eugen Wagner (SPD) veranschlagt 400 Millionen für die neue Röhre, blechen soll der Bund.

15. April 1985: Wagner im Interview: „Baubeginn ist 1988“.

Juni 1985: Bundesverkehrsminister Dollinger erklärt die vierte Röhre für „nicht finanzierbar“.

August 1985: Umweltinitiativen werden aktiv: Der BUND schlägt vor, die Röhre nicht für Autos, sondern eine S-Bahn zu bauen.

Januar 1986: Der Bundestag beschließt gegen die Stimmen der SPD den Bundesverkehrswegeplan mit der vierten Röhre.

Oktober 1987: Das von der GAL beauftragte Gutachten „Stadt und Land“ stellt fest: Die vierte Röhre löst keine Verkehrsprobleme; die Bezirksversammlung Altona lehnt weitere Tunnelpläne ab; die Baubehörde verschiebt das Planfeststellungsverfahren.

13. Juni 1988: Beginn des Planfeststellungsverfahrens, Auslegung der Pläne, knapp 8000 Einwendungen landen bei der Baubehörde, und ein Jahr später diskutiert.

16. August 1990: Die Baubehörde erläßt den Planfeststellungsbeschluß. Die Röhre soll kommen. Die Finanzierung ist völlig ungesichert. 38 HamburgerInnen klagen.

15. Juli 1992: Die Bundesregierung beschließt den Bundesverkehrswegeplan-Entwurf mit der vierten Röhre im „vordringlichen Bedarf“.

23. Mai 1995: Das Oberverwaltungsgericht Hamburg weist alle Klagen ab; eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen. Die Anwälte wollen Beschwerde einreichen und notfalls vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.

21. Juli 1995: Der Bundesverkehrsminister sagt schriftlich die volle Finanzierung zu.

26. Juli 1995: Die Baubehörde ordnet Sofortvollzug an. hh

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