: Schutzlos in Asbest-Wolken?
■ Schadstoffe bei Abriß von Margarine-Fabrik freigesetzt / Strafanzeige gegen Abbruchfirma / Geschäftsführer ist „überrascht“ Von Heike Haarhoff
Wird beim Abriß der Gebäude der ehemaligen Margarine-Union in Altona Asbest ungenehmigt und in gesundheitsgefährdenden Konzentrationen freigesetzt? Der Verdacht, den bisher nur Bauarbeiter und Angestellte benachbarter Firmen vorsichtig hinter vorgehaltener Hand äußerten, beschäftigt seit der vergangenen Woche auch die Staatsanwaltschaft des Landgerichts Hamburg: Gegen die zuständige Abbruchfirma, die seit April mit rund 30 Beschäftigten auf dem Gelände am Friesenweg/Ecke Friedensallee arbeitet, wurde Strafanzeige erstattet.
„Die Ermittlungen laufen. Es besteht der Verdacht, daß das freigesetzte Asbest Menschen gefährdet“, bestätigte Staatsanwaltschafts-Sprecher Jürgen Gammelin auf Anfrage der taz. Der „Fachdienst Umweltdelikte“ der Hamburger Polizei ermittele bereits seit Ende Mai, erklärte Polizei-Sprecher Michael Wenig: „Geprüft wird, ob es sich um eine ungenehmigte, umweltgefährdende Abfallentsorgung nach Paragraph 326 des Strafgesetzbuches handelt.“
Die Liste der Vorwürfe ist lang: vorsätzliche Umweltgefährdung, Verstoß gegen das Bundesimmissionsschutzgesetz, die Gefahrstoffverordnung und das Abfallgesetz. Bauleitung und Geschäftsführung, so ein anonymer Anzeigenerstatter, sei bekannt, daß in dem alten Fabrikgebäude – es steht seit Jahresanfang leer – verschiedene Gefahrstoffe lagern, darunter Asbest, PCB und ölverunreinigte Gegenstände. Die vor Ort Tätigen, so der Vorwurf, seien dazu angehalten worden, das Asbest „auf normale Art und Weise“ abzubrechen. Asbestpappen von Fensterbänken, Fußbodenbeläge, Asbestzementplatten, Feuerschutztüren und Rohrleitungsdichtungen seien ohne entsprechende Umwelt- und Arbeitsschutzmaßnahmen abgerissen worden.
Bauarbeiter auf dem Gelände klagten gestern über Juckreiz, Hautrötungen und Augenbrennen. Arbeitsschutzrechtlich „unzumutbar“, so ein Angestellter einer benachbarten Firma, sei, daß die Abbruchfirma ihre Leute zum Teil „mit blankem Oberkörper“ ohne Schutzkleidung arbeiten ließe. Der Geschäftsführer der Abbruchfirma wies die Vorwürfe gestern als „total unbegründet“ zurück: Die arbeits- und umweltschutzrechtlichen Bestimmungen seien stets eingehalten, ein Schadstoffkataster erstellt worden. „Daß wir auf solche hohen Asbestmengen stoßen würden, konnten wir bei Baubeginn nicht ahnen“, so der Geschäftsführer. Die Schadstoffe würden jedoch analysiert und ordnungsgemäß beseitigt. Daß die Arbeiter die vorhandene Schutzkleidung nicht benutzten, sei ihre Sache.
Wenn der Abriß beendet ist, soll der Ex-Margarine-Union-Standort zu einem Drittel mit Wohnungen und zwei Dritteln mit Gewerbe bebaut werden. Stadtentwicklungsbehörden-Sprecher Bernd Meyer: „Das sieht ein Beschluß der Senatskommission für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr vor.“ Ob ihr die Asbest-Gefahr bekannt war, ist unklar.
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