: Möchtegern-Pharmariese mit trüben Aussichten
■ Hoechst präsentiert sinkende Gewinne, setzt aber trotz aller Kritik den Schrumpfkurs fort. Daraufhin schrumpfte auch der Aktienkurs. Mitarbeiter demonstrieren gegen den Stellenabbau
Frankfurt/Berlin (AP/taz) – Die Strategie von Hoechst-Chef Jürgen Dormann kommt schlecht an. Auf die Vorstellung der Bilanzzahlen hin war gestern die Hoechst- Aktie Tagesverlierer an der Frankfurter Börse – der Kurs sank um 4,6 Prozent auf 70,10 Mark. Gegen alle Widerstände von Belegschaft und mittlerem Management hält Dormann am Umbau der Hoechst AG vom traditionellen Chemiekonzern zur modernen Pharma-, Gentech- und Pflanzenschutzfirma fest. Dazu will er weitere Geschäftsfelder, etwa die Tochter Trevira, und noch mehr Mitarbeiter loswerden.
Der Konzernumbau und andere Sonderbelastungen drückten 1997 das Betriebsergebnis des Gesamtkonzerns um neun Prozent auf 3,65 Milliarden Mark. Der Jahresüberschuß sank von 2,8 auf 1,8 Milliarden Mark. Inzwischen sitzt Hoechst auf einem Schuldenberg von 16,6 Milliarden Mark. Auf Basis der vorgestellten Zahlen wird Dormanns Konzernumbau vollends unverständlich: Ausgerechnet das zur Ausmusterung anstehende industrielle Chemiegeschäft legte ein überdurchschnittliches Ergebnis hin. Damit nicht genug. Auch die Ertragssituation sei nicht zufriedenstellend, gab die Unternehmensführung zu. Mit 9,5 Prozent sei die Rendite bezogen aufs eingesetzte Kapital weit unter der Zielgröße von 20 Prozent geblieben. Dorman bereitete gestern die Aktionäre auf einen weiteren Gewinnrückgang vor, unter anderem auf Grund der Asienkrise und des Preisverfalls bei petrochemischen Produkten. Auch der Umsatz des Konzerns soll 1998 nach weiteren Ausgliederungen deutlich sinken auf ein Volumen von 40 bis 45 Milliarden Mark.
Ende 1997 waren bei Hoechst noch 118.000 Menschen beschäftigt, fast 30.000 weniger als 1996. Von 1993 bis heute hat sich die Belegschaft in Deutschland auf 38.200 mehr als halbiert. Gegen den geplanten Stellenabbau demonstrieren in Frankfurt seit Wochen Mitarbeiter der Pharma- Tochter HMR, so auch gestern während der Bilanz-Pressekonferenz. lieb
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