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Vorstrafen am Telefon

■ Richter nahm es mit Datenschutz von Häftlingen nicht so genau

„Guten Tag, ich vertrete den Strafgefangenen G. als Anwalt, können Sie mir sagen...“: Mit diesem einfachen Trick und natürlich unter falschem Namen haben Häftlinge der Justizvollzugsanstalt 1 in Hamburg-Fuhlsbüttel (Santa Fu) Auskünfte über ihre Mitgefangenen bei der Strafvollstreckungskammer 5 erhalten. Der zuständige Richter N. machte sich nach Angaben von Detlev Möhn (Name geändert, d. Red.), der zur Zeit in Santa Fu einsitzt, nicht die Mühe, die Identität des Anrufers zu überprüfen.

G., der in Santa Fu im geschlossenen Vollzug sitzt, wollte in den offenen Vollzug verlegt werden. Als absehbar war, daß sein Antrag abgelehnt würde, bat er einen Mithäftling, den zuständigen Richter bei der Strafvollstreckungskammer anzurufen, sich als sein Anwalt auszugeben und nach den Gründen zu fragen. Bereitwillig hätte der Richter seine Gründe dargelegt und dabei ausführlich das Vorstrafenregister des Gefangenen erläutert.

Und das alles, ohne sich vorher zu versichern, ob der Anrufer auch tatsächlich der Anwalt war. „Er hätte doch nur nach einer Nummer fragen brauchen, unter der er zurückrufen kann“, sagt Detlev Möhn. Dann hätten zumindest Mitgefangene keine Möglichkeit, Einzelheiten aus dem Vorleben anderer Gefangener herauszufinden, denn die haben ja kein Telefon. „Wo bleibt da der Datenschutz?“ fragt Möhn.

Die Justizbehörde kennt die Geschichte, weil Möhn sie informiert hat. Sie wollte gestern dazu aber keine Stellung nehmen. „Der Vorgang ist an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden. Außerdem wurden die Gerichtspräsidenten informiert“, ist die Auskunft von Justizbehörden-Sprecherin Sabine Westphalen. Bei der Staatsanwaltschaft konnte man die Akte gestern nicht einsehen, und deshalb mochte Presse-Staatsanwalt Gammelin keine Auskunft geben.

Für den Gefangenen G. hatte die Geschichte bei aller Auskunftsfreudigkeit des Richters ein gutes Ende. Nachdem er den Richter mit seinem offenherzigen Verhalten konfrontiert habe, sei er doch noch in den offenen Vollzug verlegt worden, vermutet Möhn. Anstaltsleiter Peter Weiß bestreitet, daß da ein Zusammenhang besteht: „Der Gefangene ist in den offenen Vollzug verlegt worden, weil sich der Verdacht auf eine neue Straftat nicht erhärtet hat“.

Im übrigen habe dieser Vorfall vor allem den Gefangenen geschadet: Sie bekämen jetzt keine telefonischen Auskünfte mehr von der Strafvollstreckungskammer.

Iris Schneider

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