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Staubwischen inklusive

Apart und niveauvoll zur Ruhe gebettet: Mit einer oberirdischen Urnenanlage wirbt der Ohlsdorfer Friedhof um Bestattungen  ■ Von Christine Holch

Der Ohlsdorfer Friedhof ist zwar der größte Parkfriedhof der Welt, doch dieses Prädikat nützt ihm in Hamburg wenig. Hier muß er mit 35 kirchlichen und 13 bezirkseigenen Friedhöfen um Bestattungen konkurrieren. Und seit einigen Jahren gibt es einen leichten Trend zu den wohnortnahen Kirchenfriedhöfen. Deswegen läßt sich Verkaufsleiterin Monika Warncke-Schmahl laufend neue Angebote einfallen. Am liebsten was „Apartes“.

Besonders „apart“und einzigartig in Norddeutschland: eine oberirdische Urnenanlage, Kolumbarium genannt. Übersetzt heißt das „Taubenschlag“. Wer der flotten Begräbnisstätten-Verkäuferin in die Kapelle 8 folgt, sieht auch gleich, warum „Taubenschlag“das passende Wort ist: Unter korngelben Decken stehen hohe weiße Regale an den Wänden, in 300 Fächer aufgeteilt. Bislang bevölkern nur einige wuchtige, schwarzglänzende Urnen aus dem 19. Jahrhundert die Regale. Frisch „belegt“, wie es im Friedhofsjargon heißt, ist erst ein Fach. Elf weitere Nischen sind aber bereits von noch Lebenden gebucht. Besonders beliebt: die Fächer auf Augenhöhe.

Zum Gedenken laden zwei Stühle mit altrosa gestreiften Polstern. Warncke-Schmahl bittet, Platz zu nehmen. „Hier sitzen Sie warm und trocken, kein Regen stört, kein Rasenmäher.“Nur sphärische Musik vom CD-Player. „Und Sie müssen sich nie wieder mit Taschen voller Stiefmütterchen abschleppen.“Die Grabpflege fällt weg. Staubwischen ist im Preis von 5000 Mark für 25 Jahre Ruhezeit inbegriffen. Und noch einen Vorteil gegenüber dem Erdgrab hat die Aufbewahrung im Fach: Grabbeigaben sind erlaubt – Fotos etwa, Rosen, Kinderzeichnungen. Nur Plastikblumen sind unerwünscht. „Das ist hier schon besonders niveauvoll“, sagt die Verkaufsleiterin zufrieden.

Mit Niveau versucht man, Kunden zu werben, aber auch mit flexiblen Bestattungszeiten. „Wenn ein Bestatter einen Termin am Samstag braucht, dann bekommt er den“, verspricht Warncke-Schmahl; auf kirchlichen Friedhöfen sei das nicht möglich. „Aber die Leute bekommen heute ja nicht mehr einen Tag frei für eine Beerdigung.“Das Bestattungsgeschehen habe sich zunehmend in die Nachmittagsstunden verlagert. Besonders begehrt: der Freitagnachmittag.

Und wenn es denn eine Bestattung mit Pferd und Wagen oder ein Fackelzug über den dunklen Friedhof sein soll – kein Problem. „Wir sind offen für alle Wünsche der Hinterbliebenen, die die Bestatter an uns herantragen“, so die Verkaufsleiterin. „Im Zuge einer Bestattung kann schließlich schon viel für die Trauerbewältigung getan werden.“Da darf man dann auch in der Kapelle im Kreis sitzen, umgeben von Teelichtern.

Neu im Angebot ist eine Kinderbegräbnisstätte, damit verwaiste Eltern nicht neben Menschen trauern müssen, die einen Angehörigen erst im hohen Alter verloren haben. Eine abgeschiedene kleine Wiese, umgeben von Azaleen und Rhododendren, beschützt von einer Marmorstatue. Ein Sponsor ermöglichte die Anlage mit Platz für 44 Gräber. Seit der Eröffnung im Dezember sind bereits neun Kinder bestattet worden. Manche wurden nur einen Tag alt.

Kinderbegräbnisstätten gibt es auf vielen anderen Friedhöfen längst – „aber unsere ist in ihrer Schönheit besonders“, sagt Pressesprecherin Sabine Blum. Bei anderen Neuerungen hat Ohlsdorf tatsächlich die Nase vorn: So werden jetzt ökologische Grabbepflanzungen angeboten. „Ein Zeichen gegen die Monotonie auf den Gräbern“, so Blum. Statt Begonien und Stiefmütterchen wachsen dann Lavendel und Küchenschelle auf dem Grabhügel. Pflanzen, auf denen sich auch Schmetterlinge niederlassen mögen. Das Grab als Biotop.

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