: Viele Worte um ein bißchen Frieden
■ Kommunistische Guerilla und Regierung der Philippinen einigen sich nach sechsjährigen Verhandlungen auf ein Menschenrechtsabkommen
Berlin (taz) – Vertreter der philippinischen Nationalen Demokratischen Front (NDF) und der Regierung des südostasiatischen Landes wollten noch gestern nachmittag im niederländischen Den Haag ein Menschenrechtsabkommen feierlich unterzeichnen. Das Abkommen zwischen der maoistischen Guerillafront und der Regierung in Manila ist das erste substantielle Ergebnis fast sechsjähriger Friedensgespräche. Erst vergangene Woche war der letzte strittige Punkt geklärt worden. Präsident Fidel Ramos bezeichnete die Vereinbarung als „Durchbruch“. Der im niederländischen Exil lebende internationale NDF- Vertreter Luis Jalandoni sprach von einem „wichtigen Schritt vorwärts“.
Dieses erste in einer Reihe von vier Abkommen, dessen letztes eine politische Lösung des Konflikts beinhalten soll, verpflichtet beide Seiten, Menschenrechte und internationale humanitäre Gesetze zu respektieren. Außerdem werden darin die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte erwähnt. Zusätzlich wurden zwei Erklärungen über die Sicherheit bei Konsultationen und über die Arbeit privater Entwicklungsorganisationen unterzeichnet.
Zur Überwachung des Abkommens soll ein Gremium aus Vertretern beider Seiten eingerichtet werden. Das ist der größte Verhandlungserfolg der NDF. Denn ihre Vertreter sind in dem Gremium nicht nur gleichrangig mit denen der Regierung, sondern es ermöglicht ihr auch, sich so offiziell Gehör zu verschaffen. Beobachter halten das Abkommen in der Praxis jedoch für kaum relevant.
„Bei diesen Friedensgesprächen sind beide Seiten mehr an Gesprächen interessiert als an Frieden“, sagte Byron Bocar, der bis zur Spaltung der Kommunistischen Partei und den ihr nahestehenden Organisationen 1993 als Menschenrechtsbeauftragter zur NDF-Verhandlungsdelegation gehörte. „Für Präsident Ramos ist das Abkommen wichtig, um als Friedensbringer in die Geschichte einzugehen und um den Eindruck politischer Stabilität zu erwecken.“
Der Ende Juni aus dem Amt scheidende Präsident schloß bereits Frieden mit ehemaligen Militärputschisten und muslimischen Rebellen. Die Ex-Militärs wurden vom System kooptiert, was bei den Muslim-Rebellen nur begrenzt gelang. Die Regierung konnte bisher nur mit einer von drei muslimischen Organisationen Frieden schließen, die im Süden des Landes um Unabhängigkeit kämpfen.
Die 1968 am 75. Geburtstag Maos Tsetungs gegründete Kommunistische Partei begann 1969 mit dem Aufbau der bäuerlichen Neuen Volksarmee und gründete 1974 die NDF. Die Front führte bis in die erste Hälfe der 80er den Kampf für soziale und politische Reformen an, manövrierte sich aber 1986 trotz ihrer 25.000 bewaffneten Kämpfer mit einem Wahlboykott ins Abseits. Nach dem gewaltlosen Sturz von Marcos wurde Ende 1986 mit der Regierung von Corazon Aquino ein 60tägiger Waffenstillstand vereinbart. Er zerbrach an der Reformunfähigkeit der Regierung sowie den unversöhnlichen Zielen von Militärs und Guerillaführern.
Neue Friedensversuche scheiterten unter Aquino trotz großen Drucks der Kirchen. Ab 1992 gelang dem Ex-General und neuen Präsidenten Ramos mit neuen Initiativen, die Uneinigkeit in der Führung der NDF über Ideologien und Strategien auszunutzen. Nach wachsenden Mißerfolgen spaltete sich 1993 die Kommunistische Partei. Die dogmatische Hauptgruppe, mit der die Regierung gestern das Abkommen unterzeichnete, hat sich inzwischen konsolidiert und verfügt als einzige mit rund 7.000 Kämpfern über nennenswerte militärische Stärke. Während im philippinischen Hinterland der Krieg weiter schwelt, soll nach dem gestrigen Menschenrechtsabkommen als nächstes über soziale und wirtschaftliche Reformen verhandelt werden. Schätzungen zufolge hat der Krieg bisher 40.000 bis 60.000 Menschenleben gekostet. Sven Hansen
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