Bohrende Fragen an Anstaltschef

■ Knast-Untersuchungsausschuß: Selbstmordrate in Bremens Knästen hoch / Hans-Henning Hoff weiß keine Antwort

Die Schonfrist für den ehemaligen Anstaltsleiter Hans-Henning Hoff war gestern abgelaufen. Nachdem der Untersuchungsausschuß, der die Mißstände in der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen aufklären soll, den zurückgetretenen Knast-Chef bei der ersten Vernehmung nach seinem Schuldeingeständnis noch geschont hatte, mußte Hoff den Abgeordneten gestern Rede und Antwort stehen. Warum die Zahl der Selbstmorde nach seinem Amtsantritt – trotz der besseren Betreuung durch das Ansprechpartnersystem – in die Höhe geschnellt sei, wollte Gerhild Engels (Grüne) wissen. Sie konfrontierte Hoff mit einer Statistik, aus der hervorgeht, daß sich in Bremer Knästen mehr Häftlinge das Leben nehmen als anderswo. „Statistiken kann man so und so lesen“, wich Hoff aus. Man müsse sich die Einzelfälle anschauen. Er habe in Oslebshausen „ein Meldesystem“geschaffen und die Beamten angehalten, Häftlinge, die von Selbstmord redeten „ernstzunehmen“.

Hoff wurde daraufhin mit einem Einzelfall konfrontiert, in dem das angebliche Meldesystem offensichtlich versagt hatte. Im Februar 1997 erhängte sich der Häftling Udo J. in der sogenannten Beruhigungszelle. Er hatte kurz zuvor versucht, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Der Anstaltspyschologe habe Feierabend gehabt, deshalb sei der Häftling in die fensterlose Zelle im Keller des Knastes gesteckt worden, erklärte Hoff. Warum damals der sozialpsychiatrische Dienst nicht gerufen worden war, fragte Horst Isola (SPD), früher selbst Knast-Chef. Hoff mußte zugeben, daß er nie über die Möglichkeit nachgedacht hatte, in Notfällen den sozialpsychiatrischen Dienst einzuschalten.

Warum im Haus III keine Dienstbesprechungen stattgefunden hätten, wollte Helmut Pflug-radt (CDU) wissen. Wie berichtet, sind im Haus III Häftlinge von Beamten und Mitgefangenen zum Teil schwer mißhandelt worden. Vor dem Ausschuß hatten die Beamten sich über die fehlenden Dienstbesprechungen beklagt. Sie hätten sich im Stich gelassen gefühlt. Der Teilanstaltsleiter hätte doch mit den Beamten „auf der Brücke geredet“, erklärte Hoff. „Ich war mit diesem Kommunikationssystem zufrieden.“Plugradt hielt Hoff daraufhin eine Dienstanweisung der Aufsichtsbehörde vor, in der die Durchführung von Dienstbesprechungen dringend angemahnt wurde. „Ich habe zu keinem Zeitpunkt bestritten, daß ich Schwächen habe“, antwortete Hoff.

Die Beamten hätten den unklaren Führungsstil ihres Chef beklagt, konfrontierte Pflugradt den ehemaligen Anstaltschef mit weiteren Aussagen der Beamten. Hoff wies die Kritik zurück. „Ich habe ein Ziel gehabt und eine Linie, die ich eingehalten habe.“Er würde beispielsweise noch heute hinter dem von ihm eingeführten Ansprechpartnersystem stehen. Das Ansprechpartnersystem sieht vor, daß jedem Häftling ein Beamter zugeteilt wird, an den er sich wenden kann. „Stützen Sie das Ansprechpartnersystem“, appellierte Hoff an die Abgeordneten. „Vordergründig“würde sich das „sehr gut“anhören, konterte Pflugradt. Die „Praktiker“hätten das System vor dem Ausschuß allerdings scharf kritisiert. Wegen Krankheit, Urlaub, Feierabend oder Überlastung wären die Beamten für die Häftlinge oft gar nicht zu sprechen. Außerdem stünden einige Häftlinge dem System negativ gegenüber. Zeugen hätten zudem kritisiert, daß der Ansprechpartner, der auch die Beurteilungen über den Gefangenen schreibe, eine zu große Macht über den Häftling habe. „Das ganze System hängt natürlich am Engagement der Mitarbeiter“, antwortete Hoff. Isola wollte von Hoff wissen, warum im April 1994 40 Häftlinge seine Ablösung beantragt hatten. An die konkreten Gründe für diesen „mittleren Aufstand“(Isola) könne er sich nicht mehr erinnern, sagte Hoff und fügte eilig hinzu: „Inhaltlich war das aber nicht großartig untermauert.“

kes