■ Filmstarts à la carte: Blindes Rehauge
Auf ihre Rolle bereitete sie sich in einer Blindenschule vor, und spezielle Kontaktlinsen ließen ihre Rehaugen sogar noch etwas dunkler und größer als sonst wirken. In „Warte, bis es dunkel ist“ spielt Audrey Hepburn eine des Augenlichtes verlustig gegangene Hausfrau.
Äußerst theatral kommt der Thriller daher, in dem drei Gangster auf der Suche nach einer Puppe mit Heroinfüllung die blinde Susie Hendrix in ihrer Wohnung – die über weite Strecken den einzigen Schauplatz darstellt – terrorisieren.
Doch die Theatralik macht durchaus Sinn: Um Susie zur „Mitarbeit“ zu bewegen, inszenieren die Verbrecher eine kleine Vorstellung – mit verteilten Rollen, falschen Identitäten und fingierten Telefonanrufen. Wie die junge Frau den Schurken mit ihrem verfeinerten Hörsinn auf die Schliche kommt und wie sie sich mit ihren Mitteln (das Zerschlagen aller Lichtquellen stellt die Chancengleichheit wieder her) zur Wehr setzt, hat der britische Regisseur Terence Young dramatisch und mit viel Gespür für den klaustrophobischen Schauplatz in Szene gesetzt.
Als weniger leicht zugänglich erweist sich hingegen „Noroit“ von Jacques Rivette, der in diesem Monat seinen siebzigsten Geburtstag feierte.
Eine Rachegeschichte im Piratenmilieu: Schatztruhen, Gewehre und eine Burg als Schlupfwinkel erscheinen als Bestandteile des Abenteuerlichen vertraut und formen sich doch nicht zum Genrefilm. Eher schon zu einer Genrereflexion über knallige Farben (Bernadette Lafont im lila Hosenanzug, der sie als Piratenchefin ausweist), Bewegung (Duell und Tanz) und Aktion (Kaperfahrt mit dem Motorschiff). Improvisation und experimentelle Musik dürften ein übriges tun, um die Freunde des klassischen Erzählkinos zu vergrätzen; wer sich jedoch den Spaß an einem Kino bewahrt hat, in dem jederzeit alles möglich ist, kommt bei Rivette auf seine Kosten.
Heute wird im Zeughaus die Ausstellung „Mythen der Nationen: Ein europäisches Panorama“ eröffnet, die das zugehörige Kino bis in den Juni hinein mit einer umfassenden Filmreihe begleiten wird. Als erster deutscher Beitrag stehen „Die Nibelungen“ auf dem Programm, einst von Fritz Lang und Drehbuchautorin Thea von Harbou „dem deutschen Volke zugeeignet“ und in national gesinnten Zirkeln desselben aufgrund des Mythos vom Untergang mit fliegenden Fahnen (irrtümlich?) außerordentlich goutiert.
Lang inszenierte das martialische Familiendrama 1924 mit überzeugenden Schauspielern und einem wunderbaren stilisierten Dekor.
22.3. im Zeughauskino
Lars Penning
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