: Mörderisches Markenzeichen
■ Netter Job: „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“
Hier transzendiert sich nichts, hier wird ganz traditionell geschlachtet. Was eine Überraschung ist, wenn man weiß, daß Kevin Williamson das Drehbuch für „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ geschrieben hat. Genau jenes Wunderkind also, das in „Scream“ die Gesetzmäßigkeiten des Horrorfilms hinterfragt hatte und sie schließlich persiflierte, nur um sie gleich wieder mit ungleich größerem Effekt zu reinstallieren. Wenn „Scream“ die Doktorarbeit im Fach Genreregeln war, ist dieser Film der erste gutbezahlte Job, den man wegen des Summa-cum-laude-Abschlusses bekommen hat.
Ein jedes Horrormovie braucht ein Verhängnis, und das ihre ereilt die vier prototypisch besetzten ProtagonistInnen am Tag ihres Highschool-Abschlusses. Angetrunken fahren sie jemanden über den Haufen, versenken die Leiche im Meer und schwören sich Schweigen. „Wir nehmen das Geheimnis mit ins Grab“, verspricht man sich, da darf das Grab natürlich nicht lange auf sich warten lassen. Genau ein Jahr später taucht zuerst eine kleine Mitteilung auf einem Zettel auf („I know what you did last summer“), und dann geht's los...
Weil „Ich weiß...“ nicht nur das Spielfilmdebüt eines schottischen TV-Regisseurs ist, sondern auch voller No-Name-Darsteller, muß der Name Williamson die Werbetrommel im Alleingang rühren. Der Mann will mehr als 100mal „Halloween“ gesehen haben, der kennt also seine Regeln. So finden sich auch hier alle klassischen Slasher-Ingredienzien: eine verschlafene Kleinstadt, fesche Teenager beiderlei Geschlechts, tiefe Dekolletés und ein wenig züchtiger Sex am Strand, aber keine Nacktszenen, um die Jugendfreigabe nicht zu gefährden, und am allerwichtigsten: ein mörderisches Markenzeichen. Was dem Freddy seine Scherenhand, Leatherface seine Kettensäge und Jason sein Freitag, ist hier ein Eispickel. Ähm, ja, das mag jetzt im ersten Moment nicht viel hermachen, aber hoppla, wie heißt es doch so schön, es kommt darauf an, wie man sein Werkzeug benutzt.
Wenn der Fischermann im Ölzeug seine Opfer am Haken wie eine geplatzte Einkaufstüte hinter sich herzieht, löst das genau jene Mischung aus Schaudern und Belustigung aus, die jeder Horrorfilm braucht, um die Angstlust zu befriedigen. Auch der gute alte Moralismus kommt wieder zu Ehren, wie sich das für eine richtige Schlachterei gehört. Zwar steht am Ende nicht Gott als Erlöser, aber gerechterweise kommen der Reiche, die Schöne, die schnippische Schwester und die Nervensäge aus der Schule zu Tode.
Ein netter kleiner Slasherfilm also, der trotz einiger logischer Fehler funktioniert. Daß er drei Wochen lang in den USA die Kino-Charts anführte, sagt allerdings weniger über seine Qualität aus als vielmehr darüber, wie vehement das Revival ist, das der Horrorfilm dort gerade erlebt. Also hat es nicht den Falschen getroffen, denn für diese Renaissance sind schließlich vor allem Williamson und sein Drehbuch zu „Scream“ verantwortlich. Thomas Winkler
„Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“. Regie: Jim Gillespie. Mit Jennifer Love Hewitt, Sarah Michelle Gellar, Ryan Phillippe, Freddie Prinze Jr. USA 1997, 100 Min.
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