: Das Leben ist ein langer, swingender Tanztee
■ Ganz so, als hätte er sie erfunden: Der Entertainer Robert Kreis und die 20er Jahre
Natürlich sind die zwanziger Jahre keine Erfindung von Robert Kreis. Auch nicht die goldenen, von denen man sich erzählt, daß sie so unablässig swingen. Aber wenn es in Europa eine Disziplin gibt, die hartnäckig an der Kultivierung des großstädtischen Salonlebens von damals arbeitet, dann die Kleinkunst, oder besser: das Varieté. Darin ist Kreis ein Virtuose. Frisch rasierte Männer, die Fracks tragen, sich schmale Oberlippenbärtchen züchten und sich in waghalsige Techtelmechtel mit jungen Fräuleins stürzen – Robert Kreis oder: die Großartigkeit des Tanztees.
Robert Kreis macht das schon seit über 20 Jahren, lange vor Max Raabe und seinem Palastorchester und noch länger vor uns Ulrich Tukur samt Rhythmusboys. Für den Niederländer sind die Schlager und Couplets von einst nicht bloß gezierter Zeitvertreib und schon gar nicht ein Beruf. Der 49jährige Beau stellt sich nicht Abend für Abend neu auf sein Wintergarten-Image ein, er trägt Teile einer Bilderbuch-Biografie für Unterhalter in sich.
Geboren, ganz nach kolonialistischem Dünkel, im fernen Indonesien, tuckerte Kreis in Jugendjahren erst als kleiner Bell-Boy, dann als diskreter Steward auf Luxuslinern von Holland nach Übersee. Danach der Aufstieg zum Pianisten, dem Zeremonienmeister in Sachen Stil & Benimm an Bord. So etwas prägt. Für sein neues Programm Es ist alles Komödie hat sich Kreis zwar das zehnköpfige Ensemble Die ExtraVaganten zur Hilfe genommen. Doch war das eine reine Frage der entsprechenden Orchestrierung. Ansonsten ist alles beim Alten geblieben: Der Salon-Abenteurer Kreis betreibt sein Repertoire wie ein Vollzeitillusionist mit Pomade und Seriosität. Und wer nicht aufpaßt, geht dem Niederländer ganz fix auf den Leim und verläßt den Saal als Träumer. Dann geht sie wieder um, die Mär von den rauschenden zwanziger Jahren als dem amüsanten wie leicht frivolen Tanzsaal des Lebens.
Oliver Rohlf
heute, 20 Uhr, Musikhalle
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen